Am Anfang stand eine botanische Entdeckung
Drei Jahre nach meiner ersten Ruanda-Reise führt mich eine botanische Entdeckung ein zweites Mal in das ostafrikanische Land:
Eberhard Fischer, Dorothee Killmann, Burkhard Leh und Steven B. Janssens beschrieben im Juli 2021 eine neue Mahagonibaum-Art:
Wohllebens Mahagoni (Carapa wohllebenii).
Den Koblenzer Forschern Eberhard Fischer, Dorothee Killmann und Burkhard Leh fiel bei ihren Studien im Nyungwe-Regenwald von Ruanda auf, dass die Mahagonibäume dort alle zugespitzte Blätter hatten. Diese unterscheiden sich deutlich von den rundlichen Laubblättern der Carapa grandiflora, wie sie in anderen Wäldern der Region zu sehen sind. Ein Vergleich mit dem bei der Erstbeschreibung hinterlegten Typus im Herbarium von Kew Gardens bei London und die genetische Untersuchung ergaben die Bestätigung: eine neue Baumart!
Bei der öffentlichen Vorstellung von Wohllebens Mahagoni am 1.10.2021 an der Universität Koblenz entstand die Idee, dem Förster und Autor Peter Wohlleben den nach ihm benannten Baum vor Ort zu zeigen. Dorothee schlug mir vor, dann mit dabei zu sein. In der Vorbereitung der Reise für September/Oktober 2022 ergab sich der Plan, eine Woche lang mit Familie Wohlleben unterwegs zu sein und dann eine zweite Woche für weitere Studien anzuschließen - willkommene Gelegenheit, um die erste Begegnung mit tropischen Orchideen im Jahr 2019 zu vertiefen. Auch wenn mein niederländischer Freund Karel Kreutz mich vorher warnte: Wenn man auch noch mit tropischen Orchideen anfängt, ist man erledigt.
Der folgende Reisebericht ist nach Regionen gegliedert. Den Anfang macht die Hauptstadt Kigali.
Kigali
Der Himmel über Kigali gehört den Schwarzmilanen. In einer großen Kolonie begrüßt uns Milvus migrans gleich am Abend unserer Landung am 24. September 2022. Und am Morgen können wir die Greifvögel im Hotel Urban City Blue erleben, elegant dahin gleitend. Mit Tobias Wohlleben versuche ich, die Vögel im Flug festzuhalten - Frühstück ist nicht mehr wichtig.
Am 25. September besuchen wir zuerst das Kandt-Haus mit seinen Erinnerungen an die Kolonialgeschichte von Ruanda wie an erste wissenschaftliche Erkundungen. Benannt ist das Haus nach Richard Kandt (1867-1918), der als Kaiserlicher Resident von Ruanda, einem Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika, seinen Sitz in Kigali wählte. 1898 entdeckte Kandt im Nyungwe-Wald eine der Quellen des Nils - der Forschungsbericht mit dem Titel Caput Nili - eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils ist eine auch heute noch interessante Lektüre.
Danach sind wir im Kigali Genocide Memorial, gedenken der Opfer des Völkermords von 1994. So viele Familien sind auch heute noch davon geprägt, von Traumata gezeichnet. Und doch ist es erstaunlich, wie viel das Land seitdem erreicht hat, welche Lebensfreude die meisten Menschen ausstrahlen.
In einer Palme auf dem Gelände der Gedenkstätte bewundern wir einen farbenfrohen Turako.
Im Orchideengarten von Père Jean-Paul
Am Nachmittag sind wir bei Jean-Paul Lebel, einem kanadischen Priester des Salesianer-Ordens und Botaniker, der im Garten des Don-Bosco-Hauses in Kigali eine eindrucksvolle Orchideen-Sammlung angelegt hat. Schon 2019 hatte ich ihn besucht, als Mitautor des Werks The Orchids of Rwanda, zusammen mit Eberhard Fischer, Dorothee Killmann und Gilbert Delepierre. Die erste Auflage ist von 2010. Da inzwischen etliche neue Orchideenarten entdeckt wurden, hofft die Fachwelt auf eine zweite Auflage.
Jean-Paul zeigt mir eine Orchidee, die ich später auch im Regenwald sehen kann: Aerangis ugandensis ist in Ruanda, Kongo, Kenia und - schließlich heißt sie so - in Uganda zuhause.
Viele Blüten hat Polystachya benettiana ausgebildet, die in der trockenen Savanne in Ruanda wächst, darüber hinaus auch in anderen Ländern im tropischen Afrika, von Nigeria bis Äthiopien.
Die Gattung Polystachya umfasst mindestens 240 Arten, von denen die meisten in Afrika zuhause sind. Gemeinsam sind ihnen die nicht resupinierten Blüten, das heißt der Blütenstil dreht sich nicht wie bei den meisten anderen Orchideen um 180 Grad. Mit den nach unten hängenden Sepalen wirken die Blüten wie kleine Glöckchen. Der englische Botaniker William Jackson Hooker (1785-1865) trennte die Gattung in seiner dreibändigen Exotic Flora (1823-1827) als eigenständig von der Gattung Dendrobium ab:
Die meisten anderen Polystachya-Arten im Garten von Don Bosco sind auch in der freien Natur zu erleben. Nicht begegnen wird mir aber Polystachya pachychila, die mit ihren besonderen gefleckten Blüten im Ostkongo und im Nyungwe-Wald wächst:
An den Zweigen von Avocado- und anderen Bäumen hängen aber auch zahlreiche Orchideen anderer Gattungen. Drei gleich gestaltete Sepalen und Petalen hat die sternenförmig blühende Cyrtorchis arcuata, die eigentlich in Trockengebieten wächst. Die Subspecies Cyrtorchis arcuata subsp. whytei blüht hingegen im Bergregenwald, wie mir Jean-Paul erklärt. Ich bewundere, wie er auch im hohen Alter die Liebe zur Natur ausstrahlt, die für ihn eins ist mit der Liebe zu Gott.
Eine besondere Geschichte ist mit Diaphananthe lebelii verbunden, einer wunderschönen Orchidee mit zarten weißen, fast transparenten Blüten - benannt nach Jean-Paul Lebel. Eberhard Fischer und Dorothee Killmann beschrieben sie 2007 als neue Art aus dem östlichen, trockeneren Teil des Nyungwe-Regenwald und ordneten sie in der Gattung Margelliantha ein. Aufgrund von neuen molekularbiologischen Befunden übertrugen João Farminão und andere die Art 2018 aber in die Gattung Diaphananthe.
An trockenere Standorte angepasst ist Calyptrochilum christyanum, was sich bereits an den dickeren Blättern erkennen lässt. Es ist in den trockeneren Lagen im Nyungwe vertreten, aber auch sonst weit verbreitet im tropischen Afrika, zwischen Gambia und Simbabwe.
Als ich am 3. Oktober ein zweites Mal bei Jean-Paul bin, steht Ansellia africana in schönster Blüte. Weil sie hoch oben in einem Baum hängt, kommt das neue Teleobjektiv zum Einsatz, mit einer Brennweite bis 400 mm an der Nikon Z 7II bin ich fast auf Augenhöhe mit den Blüten.
Auf dem Weg hüpft ein hübscher Weißbrauen-Robin (Cossypha heuglini), Jean-Paul kann seinen Ruf gut imitieren.
Besonders schön ist auch der langgestreckte Blütenstand von Bulbophyllum cochleatum var. bequaertii. Dicht an dicht sitzen die kleinen Blüten der auch im Nyungwe-Wald vorkommenden Pflanze. Bulbophyllum ist mit mehr als 2000 Arten in Südamerika, Afrika und Asien die größte Orchideengattung. Namensgebend ist die ausgeprägte Pseudobulbe, aus der meist ein einzelnes Blatt sprießt.
Eine elegante Blattstruktur hat Angraecum distichum, das ebenfalls im Nyungwe vorkommt, Anfang Oktober aber noch nicht blüht.
L
Ausflug zum See
Am Samstag zwischen den beiden Reisewochen fahren wir zu einem Ausflug an den Gashora Lake, zum Ufer des Hotels Bugesera. Mit dabei ist Joselyne, die ich 2019 in Kigali kennengelernt habe. Die Anfahrt ist über unbefestigte Straßen nicht ganz einfach. Aber schließlich erreichen wir die Hotelanlage mit ihrem idyllisch gelegenen Seeufer.
Im Wasser lassen sich Flusspferde treiben. Die mächtigen Säugetiere tauchen aber bald ab, da es in Vorbereitung auf ein Gartenfest mit der Ruhe bald vorbei ist.
Gewöhnt an lärmende Menschen sind die Vögel. Vor dem Ufer hält der zu den Eisvögeln gehörende Graufischer (Ceryle rudis) Ausschau nach Fischen, ehe er im Sturzflug ins Wasser eintaucht.
Am Rand der Hotelanlage fliegt eine andere Eisvogelart von Baum zu Baum, der Senegalliest (Halcyon senegalensis). Er gehört zur Unterfamilie der Lieste oder Baum-Eisvögel. Die Brust ist hell, der Rücken blau und rot, der Schnabel rot und schwarz.
Recht häufig ist der Mausvogel (Colius striatus) mit seiner auffälligen Federhaube. Und auf einem Ast verharrt ein Ibis, ein Hagedasch (Bostrychia hagedash).
Direkt am Ufersaum tummelt sich ein Senegalamarant (Lagonosticta senegala), der zu den Prachtfinken gehört.
Und im Wasser schwimmt ein Seidenreiher (Egretta garzetta), ein wahrer Kosmopolit, der auch schon im Westerwald gesichtet wurde - da passt es doch gut, dass Rheinland-Pfalz und Ruanda Partnerländer sind.
noch ein Orchideengarten
Die Straße in Richtung Nyungwe führt uns am 26. September zunächst in die Stadt Butare, im Bezirk Huye. Dort unterhält Rheinland-Pfalz ein Partnerschaftshaus. Am 7. Oktober sind wir auf dem Rückweg nach Kigali ein zweites Mal dort. Der Garten ist ein kleines Paradies mit einem Bambushain und vielen heimischen Bäumen, auf deren Stämmen und Ästen Orchideen wachsen. Auch ein Hibiskus blüht bei unserer Ankunft.
Ich freue mich über die zweite Begegnung mit einer Orchidee der Gattung Tridactyle. Vor drei Jahren hatte ich am Rand des Kamiranzovu-Sumpfs im Nationalpark Nyungwe Tridactyle bicaudata gesehen. Hier blüht Tridactyle virgula. Beiden gemeinsam ist, dass die Blüten direkt aus einem verholzten Stängel wachsen. Die Gattung Tridactyle wurde 1915 von Rudolf Schlechter (1872-1925) aufgestellt. In seinem Buch Die Orchideen, ihre Beschreibung, Kultur und Züchtung nennt er drei Orchideenarten, die bislang als Arten der Gattung Angraecum betrachtet wurden, darunter das damalige Angraecum bicaudatum. Sie bilden alle eine ganz natürliche, schon durch den Habitus leicht kenntliche Gattung, schreibt Schlechter und hebt die dreigeteilte Lippe - daher der Name Tridactyle - hervor, oft mit gespaltenen oder zerschlitzten Seitenlappen und schlank zylindrischem, nie sehr langem Sporn. Die zarten Pflanzen gehören zu meinen Lieblingsorchideen im afrikanischen Regenwald.
Eine Bulbophyllum -Blüte verblüfft mit filigranen Haaren am Ende der Lippe - Bulbophyllum vulcanicum ist ein Endemit des Afrikanischen Grabenbruchs und von Ostkongo über Ruanda bis nach Westuganda zuhause.
Eine besonders schöne Polystachya leuchtet Anfang Oktober im morgendlichen Gegenlicht: Polystachya dewanckeliana.
Am frühen Morgen sind aber auch andere Wesen lebendig.
Frühstück im Bambushain
Eine Familie von Grünen Meerkatzen (Chlorocebus) springt durch den Garten und labt sich an den Bambusblättern. Neugierig schauen sie auf mich herab.
Was für ein Wald!
Der Nyungwe ist ein tropischer Bergregenwald an der Wasserscheide zwischen Nil und Kongo. Er ist Teil des Afrikanischen Grabenbruchs, des Albertine Rift, zwischen Albertsee, Kivusee und Taganjikasee. Auf einer Fläche von 970 Quadratkilometern wurden im Nyungwe bisher 220 Orchideenarten gefunden, sagt Eberhard Fischer - insgesamt sind es mehr als 1500 Gefäßpflanzen, die bisher dort bestimmt wurden. Wahrscheinlich aber sind es noch mehr. Denn bisher sind nur etwa zehn Prozent der Fläche mit Wegen erschlossen, so dass rund 90 Prozent des Nyungwe-Waldes noch unerforscht sind.
Uwinka
Nach dem Zwischenstopp in Butare erreihen wir am frühen Nachmittag unseres zweiten Tages in Ruanda, am 26. September 2022, den östlichen Eingang zum Nyungwe. Dorothee ruft voller Begeisterung: Was für ein Wald, was für Bäume! Von einem Kilometer zum nächsten sind die Berghänge im "Land der 1000 Hügel", wie Ruanda genannt wird, auf einmal nicht mehr besiedelt, an der Straße stehen keine Häuser mehr. Stattdessen erstreckt sich der immergrüne Regenwald endlos bis zum Horizont. Unsen ersten Halt am Straßenrand machen wir am Uwasenkoko-Sumpf, der von einem kleinen Bach durchzogen wird.
Dorothee macht mich auf einen Baum mit breiter Krone und gefiederten Blättern aufmerksam, den für dieses Gebiet charakteristischen Kosobaum (Hagenia abyssinica), auf Kinyarwanda Umugeshi genannt.
Die erste Orchidee, die ich hier sehe, ist eine alte Bekannte: Cynorkis anacamptoides hatte ich bereits vor drei Jahren auf einem Weg am Kamiranzovu-Sumpf kennengelernt. Die terrestrisch, also auf dem Boden und nicht auf Bäumen wachsende Orchidee mit ihren sich nur wenig öffnenden Blüten ist die häufigste Orchideenart im Nyungwe. Sie ist auch sonst im tropischen Afrika weit verbreitet, von Nigeria bis Simbabwe.
Nach der Ankunft im Welcome Center von Uwinka müssen wir zunächst einen Corona-Schnelltest absolvieren. Aber dann kann es losgehen, auf dem Igishigishigi Trail zur Hängebrücke mit dem Canopy Walk. Für unser erstes botanisches Ziel müssen wir nicht lange gehen, dann sehen wir Wohllebens Mahagoni, Carapa wohllebenii.
Für Peter Wohlleben und seine Familie ist das ein besonderer Moment, aber auch für Dorothee, Burkhard und Eberhard, die den Baum nach ihm benannt haben.
Die Baumriesen sind eine Welt für sich, jeder nicht nur eine Baumart, sondern auch Biotop für zahllose epiphitisch wachsende Pflanzen. Aber auch am Boden gibt es faszinierende Pflanzen. Am Wegrand steht nochmal Cynorkis anacamptoides. Dann ziehen mich vor allem die Springkräuter in ihren Bann. Ein bedeutendes Element der afrikanischen Flora, das auch im Albertine Rift gut vertreten ist, ist die artenreiche Kräutergattung Impatiens, schreiben Eberhard Fischer, Stefan Abrahamczyk, Norbert Holstein und Steven B. Janssens in einem im September 2021 veröffentlichten Beitrag über die Evolution von Impatiens im Großen Afrikanischen Grabenbruch in der Zeitschrift Taxon. Von den weltweit rund 1200 Arten der Gattung sind gut 130 in Afrika zuhause. Auf dem in Serpentinen nach unten führenden Pfad begegnen wir zuerst Impatiens burtonii, das von Kamerun bis Äthiopien weit verbreitet ist.
Eine endemische Art im Albertine Rift ist Impatiens purpuro-violacea, das 1907 auf einer Expedition von Johannes Mildbraed (1879-1954) entdeckt wurde. In der Darstellung der botanischen Ergebnisse hielt er fest: Eine durch ihre eigenartige Behaarung und den vollständig eingerollten Sporn sehr ausgezeichnete Art. Das möchte ich doch sehr bestätigen.
Dritte Spezies im Impatiens-Reigen dieses Tages ist Impatiens niamniamensis, das nicht von Insekten, sondern von Nektarvögeln bestäubt wird. Die von Kamerun bis Kenia verbreitete Pflanze erinnert in ihrem Namen an die ethnische Gruppe der Niam-Niam oder Azandeh im Kongo, deren Angehörigen Kannibalismus nachgesagt wurde. Eberhard erklärt, dass es zu dieser Pflanze aber eine neue taxonomische Entscheidung geben könnte.
Was blüht da so klein und tiefblau am Boden? Das ist die kleinste aller Lobelien, antwortet Dorothee. Das Winzige kommt auch im wissenschaftlichen Namen zum Ausdruck: Lobelia minutula.
Immer wieder schaue ich auf der Suche nach Orchideen in die Bäume hinauf. Der September sei nicht die beste Blütezeit, sagt Eberhard, der meinen Blick bemerkt. Aber dann entdecke ich auf der Hängebrücke, dem Canopy Walk, doch noch eine besondere Orchidee: An herabhängenden schmalen Blättern strecken sich zahlreiche senfgelbe Blüten von Polystachya spatella dem jetzt langsam schwächer werdenden Licht entgegen.
Bisher kam vor allem die Nikon Z 6 mit dem Makro-Objektiv 50/2.8 zum Einsatz, aber jetzt bin ich dankbar, dass mir die Z 7 II mit dem 100-400mm-Tele-Objektiv die Entfernung zur Orchidee auf dem Baum überbrückt. Weil die Brücke ständig schwankt, wähle ich eine kurze Belichtungszeit von 1/550 Sekunde, bei der Lichtempfindlichkeit muss ich bis zu ISO 2000 hochgehen. Die Blendenöffnung ist auf 5.6 beschränkt, lässt aber noch genug Licht durch.
Eine Orchidee aus einer anderen Gattung gedeiht auf einem dicken Ast. Sie treibt Knospen aus, muss aber vorerst noch unbestimmt bleiben.
Schnell bricht die Nacht ein, wir müssen zurück ins Welcome Center Uwinka. Auf dem Rückweg bricht ein Gewitterschauer über uns herein. Fast mystisch hört sich der Ruf des Turako an.
Der letzte Blick des Tages über die Nyungwe-Höhen auf den Kivusee bleibt unvergesslich.
am Disa-Hang
Am 6. Oktober sind wir dann nochmal zwischen Uwinka und dem Kamiranzovu-Sumpf unterwegs, um die terrestrische Orchidee Disa eminii zu sehen. Ihr leuchtendes Pinkrot ist schon von weitem zu sehen.
Ebenfalls am Boden wächst Satyrium crassicaule, das ich vor drei Jahren blühend gesehen hatte. Hier ist es noch am Knospen.
Der Orchideen-Blick geht im Nyungwe immer nach oben. Und so sehe ich auf einem der Urwalrdriesen auch eine nach allen Seiten austreibende Pflanze mit Blättern, die an den Spitzen auffällig gekerbt sind. Das ist das grünlich blühende Rhipidoglossum rutilum mit einem Verbreitungsgebiet von Westafrika bis Mosambik. Bei näherem Hinschauen sind auch Knospen zu erkennen.
Auf der Fahrt zum Kivusee neigt sich der Tag seinem Ende zu, und wir bekommen noch einen besonderen Primaten zu sehen, die Östliche Vollbartmeerkatze (Allochrocebus lhoesti).
Auch ein Rotducker springt am Straßenrand auf. Die kleine Antilope ernährt sich als Wiederkäuerin von Blättern, Blüten und Früchten. Der wissenschaftliche Name Cephalophus natalensis weist auf einen ursprünglichen Verbreitungsschwerpunkt in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal hin.
Gisakura
Nach dem Frühstück bei Dushumyumikiza im Peace Guest House fahren wir nach Gisakura, zum westlichen Begrüßungszentrum des Nationalparks Nyungwe. Von dort aus geht es ein paar Kilometer in die Teeplantagen hinein, bis zum Rand des Regenwalds. Eine Landarbeiterin betrachtet uns neugierig, erlaubt mir dann, dass ich ein Foto von ihr mache.
Eberhard lenkt unseren Blick am Waldrand auf einen besonderen Salbei, Brillantaisia nitens. Er demonstriert den sehr speziellen Befruchtungsmechanismus der Blüten: Wenn eine Biene sich auf der Lippe niederlässt, verengt sich die Blüte und die Bestäuberin wird gegen den Pollen gedrückt.
Sobald wir von der Teeplantage in den Regenwald eintauchen, umgibt uns hohe Luftfeuchtigkeit - der westliche Rand des Nyungwe ist deutlich feuchter als der Osten. Dorothee macht uns auf einen Hautfarn aufmerksam, der sich wie ein Teppich auf einen Baumstamm gelegt hat. Er gehört zur Gattung Hymenophyllum, die auch Pate für den Familiennamen der Hautfarngewächse stand: Hymenophyllaceae. Mit ihren Lichtreflexen und unterschiedlichen Grüntönen offenbart sich die Schönheit des Farns erst bei längerem Betrachten.
Der Weg zu den Wasserfällen von Isumo, der Waterfall Trail, lädt zur Fortsetzung der Impatiens-Studien ein. Da ist zunächst Impatiens bequaertii, ein Endemit des Albertine Rift, zuhause zwischen Uganda und Burundi. Ihrer charakteristischen Blütenform verdankt die Pflanze den populären Namen Tanzendes Mädchen.
Und dann ist da noch das mit Impatiens purpuroviolacea verwandte Impatiens ludewigii, erst 2021 von Eberhard Fischer u.a. beschrieben und benannt nach dem Kanzler der Universität Koblenz, Michael Ludewig.
Je tiefer uns der Weg zum Talgrund führt, desto häufiger begegnet uns auch Impatiens stuhlmannii mit leuchtenden Blüten.
Weitere Regenwald-Schönheiten sind die Begonien - mit je nach Abgrenzung 1800 bis 2000 Arten in Afrika, Asien und Amerika ist dies eine sehr artenreiche Gattung. Begonia meyeri-johannis hat eine recht weite Verbreitung vom Kongo bis Kenia, Tansania und Malawi. Es ist die einzige sich rankende Begonienart in Ruanda. Männliche Blüten haben vier, weibliche haben zwei bis vier Blütenblätter.
Begonia pulcherrima trägt die Schönheit schon im Namen. Die gelb blühende Pflanze ist ein Endemit aus dem Nyungwe und dem angrenzenden Regenwald in Burundi.
Wie bei vielen Begonien gibt es männliche Blüten (oben) mit etwa 20 Staubblättern und weibliche Blüten mit drei oder vier Griffeln. Die Art wurde 1992 von dem niederländischen Botaniker Marc Simon Maria Sosef beschrieben, der sich eingehend mit der aus 900 bis 1400 Arten bestehenden Gattung beschäftigt hat. Er hat festgehalten, dass die meisten Begonienarten im mehr oder weniger schattigen Unterholz tropischer Regenwälder zuhause sind und sich an diese besonderen Bedingungen angepasst haben.
Im Talgrund erreichen wir schließlich den Isumo-Wasserfall. In der feuchten Luft herrscht eine üppige Vegetation mit Farnen und zahlreichen Impatiens stuhlmannii.
Beim Aufstieg überrascht uns ein Gewitter mit reichlich Regen und einer magischen Sound-Kulisse.
In der zunehmenden Dämmerung geht der Blick nach oben, zu Ästen mit zahllosen Farnen und Orchideen, deren Umrisse sich wie Scherenschnitte vom Himmel abzeichnen.
im Jacaranda-Baum
Am 6. Oktober sind wir noch einmal am westlichen Nyungwe-Rand in der Nähe von Gisakura. Wir fahren auf kleinen Feldwegen und kommen an einer munteren Kolonie von Meerkatzen vorbei.
Am Rand einer Teeplantage gelangen wir an eine Reihe alter Jacaranda-Bäume, die mit Farnen und Orchideen bewachsen sind. Das ist Jacaranda mimosifolia, die mir Dorothee schon am Hotel in Kigali gezeigt hat. Ich mache es den Äffchen nach und steige hinauf, um die Pflanzen ganz nah anschauen zu können. In kurzer Zeit notieren wir elf verschiedene Arten, viele auch blühend. Darunter sind allein sieben Arten der Gattung Polystachya.
Besonders zahlreich blüht hier Polystachya andansoniae. Der große Blütenstand ist dicht mit zahlreichen Einzelblüten besetzt, die weißgelblich sind, mit rotbraunen, nach unten gerichteten Lippenspitzen.
Große Einzelblüten hat hingegen Polystachya fallax, eine endemische Orchidee der Region zwischen Burundi, Ruanda, Ostkongo und Westuganda. Sie blüht weiß bis gelblich, mit einem dunkelroten Gymnostemium.
An den sehr kleinen Blüten ist Polystachya aconitiflora zu erkennen, hellrosa bis rot. Auch sie ist ein Endemit der Region und ansonsten nur im östlichen Kongo und im westlichen Uganda zu finden.
Mit deutlich größeren Blüten als Polystachya aconitiflora und auch sonst klar zu unterscheiden ist Polystachya vulcanica, ein weiterer Endemit der Region. Die cremefarbenen Blüten haben pinkfarbene Akzente auf der Lippe und an der Spitze des Gymnostemiums.
Senkrecht am Baumstamm wachsen zwischen Moosen und Flechten auch Tridactyle-Arten wie Tridactyle eggelingii.
Zum Polystachya-Reigen an den Jacaranda-Bäumen gehört auch erneut Polystachya spatella, die ich jetzt näher betrachten kann als zuvor bei Uwinka.
Polystachya tridentata, ein weiterer Endemit des Albertine Rift, hat besonders große Blüten, die fein behaart sind.
Nicht mehr blühend ist Polystachya mauritiana, die weiter verbreitet ist im tropischen Afrika, von Guinea bis Äthiopien und Simbabwe. Sie hat grünlich-weiße, sehr kleine Blüten. Hier können wir die Früchte anschauen.
Gisovu
Am 5. Oktober fahren wir über staubige Schotterstraßen vom Peace Guest House in Cyangugu aus an den Nordrand des Nyungwe. Kinder spielen barfuß auf der Straße, eine Mutter stillt ihr Baby vor dem Lehmhaus. In der Nähe des Dorfs Gisovu liegt eine Station des Rwanda Development Board (RDB), auf dem Gelände einer ehemaligen Schweizer Forschungsstation. Dort sprechen Eberhard, Dorothee und Burkhard mit der Leitung des Nationalparks über gemeinsame Naturschutz- und Forschungsprojekte. In der Zwischenzeit laufe ich einen Weg in den Regenwald hinein. Hier in der Nähe liegt die von Richard Kandt entdeckte Nilquelle. Auf meinem Weg sind Dorfbewohner auf schwer beladenen Fahrrädern zum Markt unterwegs. Zuerst geht es noch an hohen Eucalyptus-Bäumen vorbei. Aber dann tauche ich in die Regenwald-Flora ein, mit epiphytischen Farnen wie das auf fast jedem Baum wachsende Pleopeltis macrocarpa oder das seltenere Asplenium theciferum.
Auch Orchideen fühlen sich hier wohl wie diese Polystachya, die noch keine Blüten ausgebildet hat:
An den Blättern zu erkennen ist Rhipidoglossum bilobatum. Die auch in Burundi, Ostkongo, Uganda und Kenia heimische Orchidee hat kräftige, fleischige Blätter an einem langen Stängel. Ihre Blüten sind ab Januar zu sehen und grünlich-weiß.
In einem anderen Baum entdecke ich Tridactyle virgula, die ich schon aus dem Garten in Butare kenne und in schönster Blüte erlebt habe. Hier sind erst Knospen ausgebildet.
Schließlich muss ich umkehren, um zur vereinbarten Zeit zurück zu sein. Auf einer Magerwiese sehe ich noch Cynorkis anacamptoides, sicherlich die häufigste terrestrische Orchidee im Nyungwe. Viel größer als die europäischen Polygala-Arten, vertraute Begleiter auf vielen Orchideen-Erkundungen, ist hier Polygala ruwenzoriensis.
Zum Schluss macht mich Eberhard noch auf Coccinia mildbraedii aufmerksam, die zu den Kürbisgewächsen gehört. Am Fruchtstand der hübschen, glockenartigen Blüte entwickeln sich zylindrische Früchte, die erst hell, zuletzt leuchtendrot sind. Die Art ist benannt nach dem Botaniker Johannes Mildbraed (1879-1954), der 1907 an der von Adolf Friedrich zu Mecklenburg geleiteten Expedition teilnahm, die auch in den Nyungwe führte. Im Bisoke-Wald sehe ich später auch die Früchte von Coccinia mildbraedii.
im Schmetterlingswald
Noch etwas westlich vom Nyungwe gelegen ist der Regenwald von Cyamudongo. Das 19 Quadratkilometer große Gebiet, mit einer Meereshöhe von 1900 Metern etwas tiefer gelegen als der Nyungwe, war ursprünglich mit diesem verbunden, wurde dann aber von ihm isoliert - das dazwischen gelegene Land wurde gerodet und landwirtschaftlich genutzt. Dank seiner steilen Hanglagen blieb der Wald im Cyamudongo erhalten. Der dauerhafte Schutz des Gebiets war Ziel eines Agroforst-Projekts der Universität Koblenz-Landau mit der Ansaat von Bäumen in den Randzonen.
Wir laufen am 6. Oktober den gleichen Weg entlang wie Landarbeiterinnen, die schwere Säcke schleppen. Und sind ähnlich wie die vielen Schmetterlinge vor allem an Blütenpflanzen interessiert. Intensive Pinkfarben haben die Blüten einer Impatiens-Art, die wohl zur Gruppe von Impatiens stuhlmannii gehört, aber kleiner und intensiver gefärbt sind. Die Pflanze bildet viele Blüten aus und lockt Schmetterlinge an.
Unsere Blicke gehen aber auch immer wieder in die Höhe. Kaum ein Stamm ohne Orchideen oder epiphytische Farne.
Eingehender schauen wir die Mahagonibäume an. Hier wächst nicht nur Carapa wohllebenii mit ihren zugespitzten Blättern, sondern auch die zuerst beschriebene Carapa grandiflora mit rundlichen Blättern. Jetzt haben wir den direkten Vergleich vor Augen.
Eberhard macht mich auf den afrikanischen Pfeffer aufmerksam, Piper capense. Die Früchte schmecken angenehm pfeffrig. Die vom Ostkongo bis Südafrika verbreitete Pflanze hat eine besondere Bedeutung für die traditionelle afrikanische Medizin. Nachgewiesen ist inzwischen, dass die Früchte das Wachstum von Krebszellen eindämmen können.
Wir tauchen ein in eine tropische Sound-Kulisse, mit einem ehrfürchtigen Gefühl, diesen besonderen Lebensraum unbedingt erhalten zu müssen.
Dann sehen wir eine blühende Orchidee in einem Baum, mit vielen weißen Blüten und einem langen gebogenen Sporn - das ist Angraecopsis gracillima.
Und Burkhard entdeckt hoch oben im Geäst eine Orchidee, die bisher nur aus dem Cyamudongo bekannt ist! Dorothee, Eberhard und Jean-Paul Lebel beschrieben die endemische Polystachya bruechertiae erst 2009 (Fischer, Eberhard/Killmann, Dorothee/Lebel, Jean-Paul: Polystachya bruechertiae, eine neue Art aus dem Cyamudongo-Wald, Ruanda. Polystachya bruechertiae, a new species from Cyamudongo Forest, Rwanda. In: Die Orchidee 60, 2009. S. 105-113).
Das Autorentrio berichtet dort: Während Forschungsarbeiten im Cyamudongo-Wald, der jetzt zum Nyungwe Nationalpark gehört, konnte eine sehr auffällige Polystachya auf einem heruntergefallenen Ast entdeckt werden. In der Beschreibung heißt es unter anderem: Blüten mit grünlichen Sepalen, außen flaumig behaart, innen mit purpurfarbigen Nerven, Petalen grünlich, Lippe gelblich-grün, mit deutlichen purpurfarbigen Nerven, Kallus gelb, behaart, Mittellappen der Lippe einheitlich purpurviolett. Auch vom Boden aus lässt sich die purpurviolette Lippe an mehreren Pflanzen in der Höhe deutlich erkennen. Die Namensgebung ehrt die Lehrerin Alexandra Brüchert aus Rockenhausen im nordpfälzischen Donnersbergkreis.
Zwischen dem Nyungwe im Südwesten von Ruanda und dem Volcanoes-Nationalpark im Nordwesten erstreckt sich der Kivusee. Mitten im Ostafrikanischen Grabenbruch verläuft etwa in der Seemitte auch die Grenze zwischen Ruanda und Kongo. Mit einer Fläche von 2400 Quadratmetern ist er viermal so groß wie der Bodensee. Bei einer Tiefe von 480 Metern ist bemerkenswert, dass die Wassertemperatur mit zunehmender Tiefe steigt - Ursache sind vulkanische Quellen.
ein Morgen am See
Im Peace Guest House in Cyangugu, direkt am Ufer des Kivusees, werde ich am frühen Morgen des 27. September vom charakteristischen Ruf des Tropical Boubou (Laniarius major) geweckt:
Da muss ich doch mal schauen, ob ich ihn auch im Garten sehe. Auf einem Baum sitzt ein junger Tropical Boubou. Er ist so klein und knubbelig, dass ich kaum glaube, dass er diese Töne erzeugt - meine lange in Kigali lebende Tochter Lisa hat ihn wegen der technischen Klang-Anmutung den "Laser-Vogel" genannt.
Und das ist aus derselben Gattung wohl ein junger Neuntöter (Lanius collurio):
Am 28. September fahren wir in Richtung Norden am Ostufer des Kivu entlang und machen Station bei Kibuye. Dort haben wir am Ufer direkte Sicht auf Napoleon Island - der Insel wird eine Ähnlichkeit mit dem Hut Napoleons nachgesagt.
Am Ufer sehen wir den Charaktervogel des Kivusees, den Graufischer (Ceryle rudis).
Sehr lebendig und gar nicht scheu ist die mit den Bachstelzen verwandte Witwenstelze (Motacilla aguimp). Der Vogel ist in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara zuhause.
Und wir können eine zeitlang einen besonderen Nektarvogel betrachten, dessen Gefieder in allen Schattierungen zwischen grün und blau schillert. Seiner dunkelroten Brust verdankt er den englischen Namen Red-chested Sunbird (Cinnyris erythrocercus).
dem Angraecum-Stern folgend
Der Nationalpark Gishwati-Mukura ist der jüngste in Ruanda. Mit einer Fläche von 34 Quadratkilometern ist er auch deutlich kleiner als der südlich von ihm gelegene Nyungwe oder der Volcanoes-Park im Norden. Er liegt an der Wasserscheide zwischen Nil und Kongo und erstreckt sich auf einer Höhe zwischen 2000 und 3000 Metern.
Wir sind mit dem Leiter des Nationalparks verabredet, Ezechiel Turikunkiko, der uns nach einem Gespräch auf einen schmalen Pfad in den Regenwald führt.
Am oberen Waldrand sehen wir ein Akanthusgewächs, Acanthus polystachyus (rechts). Die Blätter werden in der traditionellen afrikanischen Medizin gegen Malaria oder bei Schlangenbissen verwendet, die Samen zur Behandlung von Wunden. Sobald wir in den Regenwald eintauchen, begegnen wir auch wieder Wohllebens Mahagoni und Impatiens burtonii, später auch Impatiens niamniamensis.
Und wir studieren ein Impatiens aus der Verwandtschaft von Impatiens stuhlmannii, bei dessen Bestimmung wir unsicher sind. Die obere helmähnliche Petale ist deutlich heller als bei Impatiens stuhlmannii, auch heller als das unbekannte Impatiens aus dem Cyamudongo-Wald.
Aber vor allem entdecken wir hier auch besondere Orchideen! Eine Tridactyle-Orchidee schmiegt sich eng an den Baumstamm.
Dann studieren wir ein Angraecum, das bisher als Angraecum moandense geführt wurde, hier aber vermutlich eine eigene Art darstellt und demnächst neu beschrieben wird. Der besondere Stern zieht mich in seinen Bann. Eine Orchidee, die wie eine Lilie sechs nahezu gleichförmige Blütenblätter hat - aber das Gynostemium aus miteinander verbundenen weiblichen und männlichen Blütenteilen ist eben auch ein entscheidendes Merkmal.
Auf unserem Weg sind kurz Schimpansen zu hören. Dann tauchen wir wieder ein in den von Zikaden geprägten Gishwati-Sound.
Auf einem anderen Baum wächst Liparis epiphytica - die kleinen gelb-grünlichen Blüten mit den fadenförmigen Sepalen erinnern an die europäische Liparis. Die tropische Art ist von der Elfenbeinküste bis Uganda verbreitet.
Recht häufig auf unserem Weg ist eine Rhipidoglossum-Art mit langen schmalen Blättern. Die Pflanzen bilden gerade Knospen aus. Bisher wurden diesen Pflanzen als Rhipidoglossum globulosocalcaratum betrachtet, zuerst beschrieben im Kongo. Es handle sich aber hier um eine andere Art, die demnächst beschrieben werde, erklärt Eberhard.
Andere Orchideen sind noch nicht am Blühen, zeigen aber eindrucksvolle Blätter wie Aerangis ugandensis, deren Luftwurzeln auf ein Moosbeet gebettet sind.
Von einem moosbewachsenen Ast lässt Peperomia fernandopoiana ihre langen Blütenstände herabhängen. Sie gehört zu den Pfeffergewächsen.
Wie im Nyungwe blüht auch hier Polystachya adansoniae, manchmal mit ganz kurzem, manchmal mit längerem Blütenstand. Und ich betrachte die besondere Blattform eines Farns, das ist Drynaria volkensii. Die Blätter werden in der Volksmedizin bei Vergiftungen genutzt.
Nach vielen lebendigen Eindrücken im Gishwati-Wald endet der Tag in Gisenye mit einem Spaziergang am Ufer des Kivu-Sees, nahe des Grenzübergangs in den Kongo, und einer besonderen Entdeckung für Eberhards Farnforschung: Auf einem Baum wächst der zartblättrige Farn Davallia chaerophylloides - ein Erstfund für Ruanda!
am Hang zum Krater
Den 29. September verbringen wir im Volcanoes-Nationalpark. Dorothee und Burkhard haben sich mit Familie Wohlleben für einen Besuch bei den Berggorillas entschieden. Eberhard und ich wollen den 3711 Meter hohen Vulkan Bisoke erkunden. Wir laufen mit unserem Guide Theo durch Felder, auf denen Kartoffeln und Pyrethrum angebaut werden - die Pyrethrum-Blüten werden für die Produktion natürlicher Pflanzenschutzmittel genutzt.
Dann erreichen wir den Anfang des Nationalparks. Ein Wegweiser führt uns auf den Forscherpfad - den Ubushakashatsi-Pfad.
Da es am Vortag heftig geregnet hat, sind die Wege sehr verschlammt. Immer wieder rutschen wir aus. Schmerzhaft wird es, wenn wir dabei auf eine der üblen Brennnesseln fallen, die den Weg säumen. Aber keine Pein ohne Gegenmittel der Natur! Theo zeigt mir, wie ich den Milchsaft von Lobelia gibberoa auf die Haut auftrage, so dass der Schmerz schnell nachlässt.
Am Wegrand blüht blassviolett Impatiens burtonii. Und ich lerne immer mehr Farne kennen - Asplenium mildbraedii mit seinen zarten Fiederblättchen und Pteris dentata mit hellgrünen Blattwedeln. Auf fast jedem Baum wächst Pleopeltis macrocarpa, die ich schon im Nyungwe viel gesehen habe.
Allerdings wird uns bald klar, dass wir es beim ausführlichen Botanisieren und vor allem aufgrund des schwierigen Weges nicht an einem Tag bis zum Bisoke-Gipfel schaffen werden. So lassen wir uns jetzt auch Zeit und freuen uns am Blick auf den Karisimbi (4507 m), den höchsten der Virunga-Vulkane.
Rosaweiße Blütendolden bildet der Baum Dombeya torrida, der vom Ostkongo bis Äthiopien und nach Südafrika eine weite Verbreitung hat. Und zusammen mit der schon aus dem Nyungwe vertrauten Hagenia abyssinica bildet Hypericum revolutum einen charakteristischen Vegetationsgürtel, das Hagenia-Hypericum. Ich bin erstaunt, dass dieser große Strauch, bis zu 15 Meter hoch wachsend, mit dem heimischen Johanniskraut (Hypericum perforatum) verwandt ist. Die gelbe Blütenfarbe aber haben beide gemeinsam.
Die wilde Vegetation und die Höhe von gut 3000 Metern nehmen mir den Atem. Immer wieder schaue ich in die Baumkronen hinauf. Wenn wir auch heute den Gipfel nicht erreichen, so würde ich doch zu gerne die rot blühende Polystachya kermesina sehen.
Mühsam steige ich oberhalb der anmutigen Wiese zur Erinnerung an die Gorilla-Forscherin Dian Fossey ein Lavafeld hinauf. Dort will ich mich nochmal umschauen und dann kann der Abstieg beginnen. Beim Blick hinab entdecke ich an einem senkrechten Baumstamm etwas Rotes. Da der Baum voll mit Flechten bewachsen ist, denke ich zuerst an den Fruchtkörper einer Flechte, so klein ist das Gebilde. Doch das Bild mit dem Teleobjektiv zeigt dann doch die besondere Orchidee!
Der Forscher Friedrich Wilhelm Ludwig Kränzlin (1847-1934) notierte zu seiner Beschreibung von Polystachya kermesina: "Ein kleines, etwas struppiges Gewächs, aus einem dichten Filz von Wurzeln, abgestorbenen und lebenden Stämmchen und Blättern bestehend, zwischen denen verstreut die lebhaft gefärbten 'lackroten' Blüten sitzen." Bei Johannes Mildbraed (In: Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Zentral-Africa-Expedition, 1907-1908 : unter Führung Adolf Friedrichs, Herzogs zu Mecklenburg. Bd. II, S. 75). findet sich eine Zeichnung der Pflanze:
Eine 1996 veröffentlichte Studie zur epiphytischen Flora in Wäldern in Ruanda und im Kongo wies für den Regenwald in den Volcanoes nur eine Orchidee nach, eben Polystachya kermesina, und führte die geringere Artenvielfalt in unterschiedlichen Pflanzenfamilien auf die besondere Höhenlage zurück. (Biedinger, Nadja/Fischer, Eberhard: Epiphytic vegetation and ecology in Central African forests (Rwanda, Zaïre). In: Ecotropica 2, 1996. S. 121-142).
Inzwischen hat Eberhard auch den gesuchten Farn Asplenium majus entdeckt. Wir haben Glück - nach der Beschreibung kommt er in den Volcanoes erst ab einer Höhe von 3300 Metern vor. Wir sehen ihn nun in rund 3000 Metern Höhe. Eberhard macht mich auf die Sporenlager auf der Unterseite der Blattwedel aufmerksam.
Für den Abstieg wählen wir dann einen anderen Weg. Theo zeigt uns auf einem Baum ein Ruwenzori-Sonnenhörnchen (Heliosciurus ruwenzorii).
erwähnte Arten
Orchidaceae
- Aerangis ugandensis
- Angraecopsis gracillima
- Angraecum distichum
- Angraecum spec.
- Ansellia africana
- Bulbophyllum cochleatum var. bequaertii
- Bulbophyllum vulcanicum
- Calyptrochilum christyanum
- Cynorkis anacamptoides
- Cyrtorchis arcuata subsp. whytei
- Diaphananthe lebelii
- Disa eminii
- Liparis epiphytica
- Polystachya aconitiflora
- Polystachya adansoniae
- Polystachya benettiana
- Polystachya bruechertiae
- Polystachya dewanckeliana
- Polystachya fallax
- Polystachya kermesina
- Polystachya mauritiana
- Polystachya pachychila
- Polystachya spatella
- Polystachya tridentata
- Polystachya vulcanica
- Rhipidoglossum bilobatum
- Rhipidoglossum rutilum
- Rhipidoglossum spec.
- Satyrium crassicaule
- Tridactyle eggelingii
- Tridactyle virgula
Acanthaceae
- Acanthus polystachyus
- Brillantaisia nitens
Aspleniaceae
- Asplenium majus
- Asplenium mildbraedii
- Asplenium theciferum
Balsaminaceae
- Impatiens bequaertii
- Impatiens burtonii
- Impatiens ludewigii
- Impatiens niamniamensis
- Impatiens purpuro-violacea
- Impatiens stuhlmannii
- Impatiens spec.
Begoniaceae
- Begonia meyeri-johannis
- Begonia pulcherrima
Bignoniaceae
- Jacaranda mimosifolia
Campanulaceae
- Lobelia gibberoa
- Lobelia minutula
Cucurbitaceae
- Coccinia mildbraedii
Davalliaceae
- Davallia chaerophylloides
Hymenophyllaceae
- Hymenophyllum spec.
Hypericaceae
- Hypericum revolutum
Malvaceae
- Dombeya torrida
- Carapa grandiflora
- Carapa wohllebenii
Piperaceae
- Peperomia fernandopoiana
- Piper capense
Polygalaceae
- Polygala ruwenzoriensis
Polypodiaceae
- Drynaria volkensii
- Pleopeltis macrocarpa
Pteridaceae
- Pteris dentata
Rosacea
- Hagenia abyssinica