am Hang zum Krater
Den 29. September verbringen wir im Volcanoes-Nationalpark. Dorothee und Burkhard haben sich mit Familie Wohlleben für einen Besuch bei den Berggorillas entschieden. Eberhard und ich wollen den 3711 Meter hohen Vulkan Bisoke erkunden. Wir laufen mit unserem Guide Theo durch Felder, auf denen Kartoffeln und Pyrethrum angebaut werden - die Pyrethrum-Blüten werden für die Produktion natürlicher Pflanzenschutzmittel genutzt.
Dann erreichen wir den Anfang des Nationalparks. Ein Wegweiser führt uns auf den Forscherpfad - den Ubushakashatsi-Pfad.
Da es am Vortag heftig geregnet hat, sind die Wege sehr verschlammt. Immer wieder rutschen wir aus. Schmerzhaft wird es, wenn wir dabei auf eine der üblen Brennnesseln fallen, die den Weg säumen. Aber keine Pein ohne Gegenmittel der Natur! Theo zeigt mir, wie ich den Milchsaft von Lobelia gibberoa auf die Haut auftrage, so dass der Schmerz schnell nachlässt.
Am Wegrand blüht blassviolett Impatiens burtonii. Und ich lerne immer mehr Farne kennen - Asplenium mildbraedii mit seinen zarten Fiederblättchen und Pteris dentata mit hellgrünen Blattwedeln. Auf fast jedem Baum wächst Pleopeltis macrocarpa, die ich schon im Nyungwe viel gesehen habe.
Allerdings wird uns bald klar, dass wir es beim ausführlichen Botanisieren und vor allem aufgrund des schwierigen Weges nicht an einem Tag bis zum Bisoke-Gipfel schaffen werden. So lassen wir uns jetzt auch Zeit und freuen uns am Blick auf den Karisimbi (4507 m), den höchsten der Virunga-Vulkane.
Rosaweiße Blütendolden bildet der Baum Dombeya torrida, der vom Ostkongo bis Äthiopien und nach Südafrika eine weite Verbreitung hat. Und zusammen mit der schon aus dem Nyungwe vertrauten Hagenia abyssinica bildet Hypericum revolutum einen charakteristischen Vegetationsgürtel, das Hagenia-Hypericum. Ich bin erstaunt, dass dieser große Strauch, bis zu 15 Meter hoch wachsend, mit dem heimischen Johanniskraut (Hypericum perforatum) verwandt ist. Die gelbe Blütenfarbe aber haben beide gemeinsam.
Die wilde Vegetation und die Höhe von gut 3000 Metern nehmen mir den Atem. Immer wieder schaue ich in die Baumkronen hinauf. Wenn wir auch heute den Gipfel nicht erreichen, so würde ich doch zu gerne die rot blühende Polystachya kermesina sehen.
Mühsam steige ich oberhalb der anmutigen Wiese zur Erinnerung an die Gorilla-Forscherin Dian Fossey ein Lavafeld hinauf. Dort will ich mich nochmal umschauen und dann kann der Abstieg beginnen. Beim Blick hinab entdecke ich an einem senkrechten Baumstamm etwas Rotes. Da der Baum voll mit Flechten bewachsen ist, denke ich zuerst an den Fruchtkörper einer Flechte, so klein ist das Gebilde. Doch das Bild mit dem Teleobjektiv zeigt dann doch die besondere Orchidee!
Der Forscher Friedrich Wilhelm Ludwig Kränzlin (1847-1934) notierte zu seiner Beschreibung von Polystachya kermesina: "Ein kleines, etwas struppiges Gewächs, aus einem dichten Filz von Wurzeln, abgestorbenen und lebenden Stämmchen und Blättern bestehend, zwischen denen verstreut die lebhaft gefärbten 'lackroten' Blüten sitzen." Bei Johannes Mildbraed (In: Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Zentral-Africa-Expedition, 1907-1908 : unter Führung Adolf Friedrichs, Herzogs zu Mecklenburg. Bd. II, S. 75). findet sich eine Zeichnung der Pflanze:
Eine 1996 veröffentlichte Studie zur epiphytischen Flora in Wäldern in Ruanda und im Kongo wies für den Regenwald in den Volcanoes nur eine Orchidee nach, eben Polystachya kermesina, und führte die geringere Artenvielfalt in unterschiedlichen Pflanzenfamilien auf die besondere Höhenlage zurück. (Biedinger, Nadja/Fischer, Eberhard: Epiphytic vegetation and ecology in Central African forests (Rwanda, Zaïre). In: Ecotropica 2, 1996. S. 121-142).
Inzwischen hat Eberhard auch den gesuchten Farn Asplenium majus entdeckt. Wir haben Glück - nach der Beschreibung kommt er in den Volcanoes erst ab einer Höhe von 3300 Metern vor. Wir sehen ihn nun in rund 3000 Metern Höhe. Eberhard macht mich auf die Sporenlager auf der Unterseite der Blattwedel aufmerksam.
Für den Abstieg wählen wir dann einen anderen Weg. Theo zeigt uns auf einem Baum ein Ruwenzori-Sonnenhörnchen (Heliosciurus ruwenzorii).