Im Regenwald von Ranomafana
11. Februar - ein Tag im Nationalpark Ranomafana!Wir melden uns im Verwaltungsbüro an. Dort schmückt ein großes Wandbild zur Tier- und Pflanzenwelt den Raum. Darauf lässt sich eindeutig Aerangis citrata erkennen. Diese Orchidee sehen wir dann auch bald wieder, hier meist noch knospend. Eine dieser Pflanze bringt mich zu einer Klettertour in den Hang hinauf. Sie hat einen langen Blütentrieb entwickelt, auf dem sich eine Knospe an die andere reiht.
Wir treffen unsere beiden Local Guides, Wiliam und Tsilavo (Kelimanatsaka). Wiliam erzählt, dass bereits sein Vater europäische Wissenschaftler in den Wald geführt habe, lange vor Gründung des Nationalparks. Er weist uns nach wenigen Metern auf eine Orchidee in einem Baum hin. Das ist zur Begrüßung eine Aeranthes ramosa, die sich mit dem Tele-Objektiv gut erkennen lässt. In der Blüte hat sich ein Käfer versteckt.
Die Kamera holt auch eine eindrucksvolle Polystachya virescens näher heran. Mit langem Blütenstand und grün-gelblichen Blüten lässt sie sich gut von der kleineren und häufigeren Polystachya cultriformis unterscheiden. Beide sehen wir später auch kurz nacheinander. Bei Polystachya cultriformis wächst ein Blatt aus der schmalen Pseudobulbe, bei der größeren Polystachya virescens sind es meist zwei.
Wir überqueren den rauschenden Fluss Namorona und steigen jetzt tiefer in den Wald hinauf, auf schmalen Pfaden von 900 auf 1000 Meter Meereshöhe. An einem Baum fällt uns Bulbophyllum paleiferum auf. Es blüht zwar nicht, ist aber an seiner auffallend länglichen Bulbe mit zwei Blättern gut zu erkennen. Die Art ist als stark gefährdet eingestuft.
Kurz darauf begegnen wir einer besonders schönen Oberonia disticha mit langen Blütenständen. Dicht an die Baumrinde gepresst verharrt ein Plattschwanzgecko (Uroplatus sicorei). Dann sehen wir eine ähnliche Pflanze wie zuvor schon unten am Hang und sind nun sicher, dass dies Aerangis citrata ist.
An seinen charakteristischen breiten Blättern ist Liparis longicaulis gut zu erkennen. Diese Orchidee bildet am Waldboden eine kleine Siedlung.
Außerdem lerne ich zwei weitere Angraecum-Arten kennen. Angraecum acutipetalum hat relativ breite, gewellte Blätter. Der kurze Stängel trägt eine weiße Blüte mit einer tütenförmigen Lippe und spitz zulaufenden Petalen und Sepalen und eine Knospe. Eine ähnliche Blütenform hat ein Angraecum mit kleinen gelben Blüten, deren mit Nektar gefüllter Sporn am Ende verbreitert ist. Es muss vorerst unbestimmt bleiben.
Besonders artenreich sind hier Orchideen der Gattung Bulbophyllum. Bulbophyllum occultum trägt auch hier einen bräunlichen Blütenstand.
Ganz nah an den Baumstamm ran muss ich bei dem kleinen Bulbophyllum discilabium, das sich wie ein Teppich ausgebreitet hat, auf dem winzige, leuchtende rote Blüten ausgebreitet sind. Aus jeder der kleinen runden Bulben kommt ein Blatt.
Bulbophyllum brachystachyum hat kleine gelbe Blüten und helle Knospen an einem kurzen Stängel - diese kleine Pflanze schlängelt sich den Baumstamm entlang und schmiegt ihre zarten Luftwurzeln an die Rinde.
Der Wald ist erfüllt von einer einzigartigen Sinfonie verschiedenster Klänge, die an- und abschwellen, sich mit uns bewegen, plötzlich auftauchen und wieder verklingen. Für einen gleichförmigen Continuo sorgen die Zikaden, von denen ich einen sehr ungewöhnlichen Vertreter und Meister der Camouflage zu Gesicht bekomme.
Mit spitzen Rufen bringt sich darüber der Vasapapagei (Coracopsis vasa) solistisch ein. Später kommt der Gabeldrongo (Dicrurus forficatus) hinzu, der gerne Rufe anderer Vögel und sogar von Lemuren imitiert. Mit einem markanten, gleichförmigen Laut lässt schließlich auch Boulengers Madagaskar-Frosch (Gephyromantis boulengeri) seine Stimme im Regenwaldkonzert ertönen.
Nach der Mittagsrast mit Maniok, die wir auf einer Anhöhe mit schöner Aussicht verbringen, laufen wir durch einen Bambuswald wieder in Richtung Namorona-Tal. Der Bambus ist hier heimisch und gibt den Bambuslemuren Nahrung. Aus Südamerika eingewandert ist hingegen der Seifenstrauch (Clidemia hirta), der zu den Schwarzmundgewächsen (Melastomataceae) gehört und sich invasiv in allen tropischen Regionen ausgebreitet hat. Hier gibt es weniger Orchideen, so freue ich mich auch am intensiven Blau der Tagblume (Commelina madagascarica). Der Farbe des trockenen Laubs hat sich der Madagaskar-Laubfrosch (Boophis madagascariensis) angepasst.
Aber dann entdecken wir auch noch weitere Orchideen. Eine völlig neue Gattung ist für mich Platylepis mit terrestrisch wachsenden Arten. Drei bis vier Laubblätter und einen gedrungenen Blütenstand mit rötlich-hellbraunen Blüten hat Platylepis densiflora - die Art ist auch unter dem Namen Platylepis bigibbosa bekannt. Einen langgestreckten Blütenstand hat hingegen Platylepis occulta, hier im Wald bereits abblühend.
Schließlich gelangen wir wieder in einen Wald mit den charakteristischen Bäumen der Gattung Dalbergia wie den beiden endemischen Arten Dalbergia baronii - deren Holz als Palisander für den Möbelbau genutzt wurde - oder der stark gefährdeten Dalbergia madagascariensis. Diese bieten auch wieder Platz für epiphytische Orchideen wie eine große Aeranthes caudata mit grüner Knospe und einer Frucht. Die Knospe sieht ähnlich aus wie bei Aeranthes ramosa - aber die Blätter sind weich und herabhängend.
Zum Abschluss der Ranomafana-Exkursion freue ich mich über ein Wiedersehen mit Jumellea arborescens, die wir im Wald von Analamazaotra zuerst kennengerlernt haben.
Am nächsten Morgen ziehen dichte Nebelschwäder durch die Täler von Ranomafana.
Wir verabschieden uns von der Setam Lodge und machen Halt am Wasserfall von Andriamamovoka.
Hier blüht auch noch ein schönes Impatiens. Und etwas weiter die Straße entlang entdecke ich auf einer feuchten Wiese Cynorkis graminea, die ihren Namen den grasartigen Blättern verdankt.
Entlang der Straße N7 halten wir nördlich von Alak-Ambohimaha auch noch einmal bei einer besonders schönen Eulophia plantaginea.
Auf der zweitägigen Rückfahrt nach Antananarivo übernachten wir in der für ihre Holzschnitzereien renommierten Kleinstadt Ambositra und machen eine Essenspause in einem Hotel des Dorfes Antsampanimahazo. Treuer Reisebegleiter ist der Baum der Reisenden, die Ravenala madagascariensis.