Madagaskar - Ampitabe

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Am Lac Ampitabe

Nachmittags sind wir wieder auf der Fahrt zu neuen Entdeckungen. Es geht immer weiter nach Osten, zum Indischen Ozean und hinab aus dem Hochland in die tieferen Regionen. Wir folgen der Nationalstraße 2, die erst nach Osten führt und hinter Antsampanana nach Norden schwenkt, in Richtung der Hafenstadt Toamasine, das ehemalige Tamatave der französischen Kolonialzeit. Dort leben die Menschen vielfach in Holzhütten zwischen Bananenstauden und Palmen, die meiste Zeit verbringen die Familien im Freien.

Schließlich biegen wir eine kleine Offroad-Straße nach Manambato ab. Dort machen wir am Lac Rasoabe eine Pause mit Bierchen, bis wir von einem Motorboot abgeholt werden. Dieses tuckert mit uns nach Norden, durch den Pangalan-Kanal und bringt uns zum Lac Ampitabe. Nur ein schmaler Landstrich trennt den See vom Indischen Ozean. Das Boot bringt uns zum Landungssteg der Lodge Akanin’ny Nofy (Palmarium), wo ich mir einen lauschigen Bungalow mit einem Schwarzweißen Vari (Varecia variegata) teile.

Nach einem Bad am frühen Morgen im See begleiten uns die Lemuren auch beim Frühstück. Sie sind so flink, dass sie sich von den Kellnern nicht vertreiben lassen und sich ihren Teil an den Früchten sichern. Dann laufen wir mit Jean-Paul in den Küstenregenwald. 

Gleich am Rand der Lodge sehen wir eine große gelblich-grüne Orchideenblüte - Aeranthes grandiflora. Sepalen und Pedalen sind zugespitzt, auch die Lippe. Die Blätter sind groß und lang.

 

Der Wald auf Meereshöhe hat einen ganz anderen Charakter als Anjozorobe oder Analamazaotra mit mehr als 1000 Höhenmetern. Hier wachsen viele Farne in der Größe von Bäumen, etwa Asplenium nidus oder Asplenium mauritianum. Und es ist drückend heiß. 

Gelbliche Blüten hat Angraecum ochraceum - der Sporn ist am Ende etwas verdickt. Der britische Botaniker Henry Nicholas Ridley (1855-1956) beschrieb die Art 1885 als Mystacidium ochraceum, ehe sie 1915 von Rudolf Schlechter als Angraecum ochraceum umbenannt wurde. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir treten aus dem Wald heraus und gelangen in eine Heidelandschaft mit Sandboden. Dort verkriecht sich ein Bulbophyllum mit winzigen, dunkelroten Blüten, Bulbophyllum minutum. Die lange, konvex gewölbte Lippe erschauert beim kleinsten Lüftchen und gibt der Blüte den Eindruck eines schwebenden Insekts. Die kleinen, gelblichen und eiförmigen Pseudobulben tragen jeweils zwei rundliche Blätter, die an den Rändern ebenfalls einen rötlichen Ton haben.

 

An einem Baumstamm hinauf hat sich eine Kolonie von Bulbophyllum-Pflanzen angesiedelt. Die rundlichen, flachen Pseudobulben erinnern an Bulbophyllum peyrotii in den Bergen - aber das an der Küste ansässige Bulbophyllum pervillei hat einen sehr viel längeren und viel dünneren Blütenstand, der noch knospend ist. Benannt ist die Pflanze nach Auguste Pervillé, einem Gärtner des Muséum Nationale d'Histoire Naturelle in Paris, der sie 1853 an der Nordostküste von Madagaskar fand. 

 

Die weiße Blüte einer weiteren Angraecum-Pflanze mit langem Sporn ist etwas angeknabbert, die Blätter sind lang und schmal - eine Bestimmung will mir bislang nicht gelingen. 

 

In eindrucksvoller Größe, aber ohne Blüte bewundern wir Angraecum sesquipedale, die von Charles Darwin (1809-1882) berühmt gemachte Orchidee. In seinem Werk On the various contrivances by which British and foreign orchids are fertilised by insects, and on the good effects of intercrossing (1862) staunte er über die Länge des Blütensporns: 

I fear that the reader will be wearied, but I must say a few words on the Angræcum sesquipedale, of which the large six-rayed flowers, like stars formed of snow-white wax, have excited the admiration of travellers in Madagascar. A whip-like green nectary of astonishing length hangs down beneath the labellum. In several flowers sent me by Mr. Bateman I found the nectaries eleven and a half inches long, with only the lower inch and a half filled with very sweet nectar. What can be the use, it may be asked, of a nectary of such disproportional length? We shall, I think, see that the fertilisation of the plant depends on this length and on nectar being contained only within the lower and attenuated extremity. It is, however, surprising that any insect should be able to reach the nectar: our English sphinxes have probosces as long as their bodies: but in Madagascar there must be moths with probosces capable of extension to a length of between ten and eleven inches!

Der von Darwin angenommene Nachtfalter mit einem ähnlich langen Rüssel wie der Sporn von Angraecum sesquipedale wurde 1903 dann tatsächlich entdeckt: Xanthopan morgani subsp. praedicta. Hauptblütezeit ist von August bis Oktober - zwischen den Blätter der von uns gefundenen Pflanze ist noch eine verblühte Blüte zu sehen.

 angraecum sesquipedale 1

Bulbophyllum erectum streckt eine lange Ähre mit Früchten in den Wald. Die Pseudobulben sind vierkantig und tragen jeweils ein längliches Blatt mit ausgeprägtem Mittelnerv. Die Pflanze wurde 1822 von Louis Marie Aubert du Petit-Thouars (1758-1831) in seinem Werk Histoire particulière des plantes orchidées recueillies sur les trois îles australes d’Afrique zum ersten Mal dargestellt.

 bulbophyllum erectum 1bulbophyllum erectum thouars 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Angraecum calceolus hat hier Blüten, die an Angraecum rhynchoglossum erinnern - aber die Blätter sind bei beiden Arten sehr unterschiedlich, und bei calceolus ist der Sporn weniger lang als bei rhynchoglossum.
angraecum calceolus 3

Am Seeufer legen wir eine Pause ein, ein Bad bietet hochwillkommene Abkühlung. Hinter dem See ist die Ozeanbrandung zu hören. Wir laufen weiter am Westufer des Ampitabe-Sees und sehen in den auf einem Blatt schlummernden Madagaskar-Riedfrosch (Heteruxalus madagascariensis).

heteruxalus

Ein Fischerpaar legt im See Netze aus, später treffe ich die junge Frau namens Peti mit ihrem Sohn. Sie gehören zur Volksgruppe der Betsimisaraka, der zweitgrößten Ethnie in Madagaskar nach den Merina in der Hauptstadtregion.

fischerin 1

In einem kleinen Feuchtgebiet wachsen die beiden Kannenpflanzen-Arten von Madagaskar, die trichterförmige Nepenthes masoalensis und die bauchige, hier intensiv rot gefärbte Nepenthes madagascariensis.

nepenthes masoalensis

nepenthes madagascariensis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dann lassen wir uns vom Bootstaxi nach Palladium Beach bringen. Dort bekommen wir ein Mittagessen. Leonce singt uns auf der Gitarre madagassische Lieder, Lova stimmt auf der Mundharmonika mit ein.

 

Am Treppenaufgang der Anlage blüht eine Aeranthes grandiflora. Nachmittags laufen wir weiter durch den Küstenregenwald. Auf einem Baum mit Rhipsalis hält sich ein Stachelleguan der Gattung Oplurus auf.

oplurus

Ein besonderer Farn ist Microsorum scolopendria - manche Blätter wirken wie menschliche Figuren.

farn 

Mit wechselständigen langen und sehr schmalen Blättern wächst ein Angraecum an einem Baum, thouars angraecum filicornu 1das in einer Blattachse gerade eine kleine Knospe entwickelt - Angraecum filicornu. Die Pflanze gleicht genau der Zeichnung im 1822, oben schon aufgeführten Werk von Thouars. Diese Orchidee entwickelt weiße Blüten mit einem etwa zehn Zentimeter langen Sporn. Zum Abschluss unserer Wege durch den Küstenregenwald begegnen wir erneut Angraecum mauritianum. Mit ihren zarten Luftwurzeln scheint die Pflanze in der Luft zu schweben. 

angraecum filicornu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am nächsten Morgen holt uns das Bootstaxi ab und wir verabschieden uns von Akanin'ny Nofy und vom Lac Ampitabe. Es regnet heftig, eine melancholische Stimmung legt sich über den See.

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