Madagaskar - Analamazaotra

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Im Wald von Analamazaotra

Am 4. Februar verabschieden wir uns von der Lodge und von Anjozorobe. Wir fahren zuerst wieder auf der RN3 zurück nach Süden, vorbei an zahllosen Reisfeldern, und gelangen dann auf die RN2, der wir nach Osten folgen. Unterwegs begleitet uns immer wieder der Madagaskar-Weber (Foudia madagascariensis). Die knallroten Vögel fliegen in Schwärmen von Baum zu Baum. Im Tal des Flusses Mandraka machen wir Halt an einer Felswand. Dort blüht eine Polystachya concreta, die hier lithophytisch, also auf Felsgrund, wächst. An einem Hang blühen zahlreiche Cynorkis fastigiata, darunter eine Blüte mit untypischer Lippenform.

  

 

 

Danach gelangen wir zur Reserve Peyrieras, einem weitläufigen Gelände, in dem Lemuren, Chamäleons und Frösche gehalten werden. Auf Madagaskar lebt etwa die Hälfte der weltweit rund 200 Chamäleon-Arten. Die etwa 30 Arten der Gattung Brookesia leben auf der Erde und haben einen kurzen Stummelschwanz. Auf Bäumen unterwegs sind die 37 Calumma-Arten, die alle endemisch sind. Auch die 22 Arten der Gattung Furcifer leben auf Bäumen, darunter das farbenprächtige Panther-Chamäleon (Furcifer pardalis). In den Mythologien der madegassischen Völker gilt das Chamäleon als Symbol des ewigen Lebens.

 

Aber natürlich schaue ich auch hier nach den Pflanzen und entdecke ein regennasses Angraecum calceolus. Auch eine Impatiens firmula blüht am Boden.

Am späten Nachmittag treffen wir bei Andasibe in der Lodge Amoron’ny Ala (der Name bedeutet etwa „am Wald“) ein - gerade rechtzeitig, um unseren Guide Tina für den Nationalpark Analamazaotra zu treffen und eine kleine Nachtwanderung zu unternehmen. Ich beobachte eine Spinne auf Zikadenjagd, einen Mausmaki (Microcebus rufus), den Schwarzen Madagaskar-Skorpion (Grosphus madagascariensis) und ein Chamäleon.

 

  

    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am 5. Februar weckt mich der Gesang der Madagaskar-Stelze (Motacilla flaviventris). 

Nach dem von Niry bereiteten Frühstück treffen wir uns mit Tina, die uns zuerst den kleinen Orchideenpark an einer Waldlichtung zeigt - hier wurden einige Orchideenpflanzen auf Bäumen angesiedelt, die in anderen Regionen von Madagaskar einem Bauprojekt weichen mussten. Dazu gehört eine große grüne Blüte von Aeranthes ramosa, die an einem langen Stängel herabhängt. Und ein sehr großes Bulbophyllum mit einer schönen Blütentraube - Bulbophyllum hamelinii

 

 

 

 

 

 

aeranthes ramosa 1

Danach steigen wir tiefer in den Regenwald hinein. An den Ästen mehrerer Bäume hängt eine Orchidee ohne Blätter, nur mit Luftwurzeln und hübschen filigranen Blüten. Die weißen Blütenblätter von Microcoelia macrantha sind fast transparent, mit einem hellgrünen Fleck auf dem Stempel und am Grund der Lippe. Der kurze Sporn ist am Ende verdickt.

microcoelia macrantha 1

Wir betrachten einige Bulbophyllum-Arten, die wir nicht bestimmen können. Besonders eindrucksvoll ist eine Reihe von Pseudobulben auf einem Ast, die zum Teil ausgetrocknet sind. Aber am Grund einer solchen Bulbe treiben frische grüne Blätter hervor. Eine Polystachya auf einem Baumast trägt einen Blütenstand mit rötlichen Knospen. Auf vielen Ästen blüht Oberonia disticha. Dazwischen wachsen epiphytische Farne wie Asplenium mauritianum. Eine besondere Entdeckung ist das kleine Angraecum rubellum, das wir erst mit Knospen, dann auch aufgeblüht sehen. Die Pflanze ist nach Einschätzung der International Union for Conservation of Nature (IUCN) vom Aussterben bedroht.

angraecum rubellum

Die Soundkulisse im Regenwald von Analamazaotra ist ähnlich wie in Anjozorobe und doch auch ganz anders.

stabschrecke

In den ewigen Singsang der Zikaden mischen sich die Stimmen von Papageien, die Klagelaute des Indri, der größten Lemurenart von Madagaskar, und das Grunzen eines Braunlemuren (Eulemur fulvus). Ganz still und regungslos liegt hingegen eine Stabschrecke auf der Baumrinde und ist von ihr kaum zu unterscheiden - diese Insekten sind Meister der Camouflage. Bei der Mittagspause überrascht uns eine Gruppe von Braunlemuren - und möchte von meiner Mangofrucht wenigstens die Schale und den Kern haben. Auch der Diademsifaki (Propithecus diadema) hangelt sich mit seiner weißen Gesichtskrause und seinen goldbraunen Fellarmen und -beinen von Baum zu Baum. 

diademsifaki

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag laufen wir hinter dem Nationalparkhaus, westlich der Straße, auf schmalem Pfad durch den Wald. Zuerst sehen wir ein Angraecum mit wechselständigen Blättern und einer weißen Knospe mit langem Sporn. Dies müsste Angraecum mauritianum sein. Die Vermutung bestätigt sich, als wir später auch Pflanzen in voller Blüte und mit frischen Früchten sehen. Die weißen Blüten haben einen etwa acht Zentimeter langen, mit Nektar gefüllten Sporn. Die Art ist nach der östlich von Madagaskar gelegenen Insel Mauritius benannt.

angraecum mauritianum 1

Hingegen hat Angraecum didieri eher kurze Blätter, die aus einem dicken Trieb wachsen. Nachdem wir im Wald von Anjozorobe bereits eine Pflanze mit Früchten gesehen hatten, finden wir nun auch ein knospendes Angraecum didieri. Der Name der Art erinnert an den französischen Naturforscher Alfred Grandidier (1836-1921). 

angraecum didieri 2

 

angraecum ferkoanum Eine weitere Orchidee hat lange spitze Blätter, fächerartig ausgestreckt und eine kleine gelbe Blüte mit einem gut zwei Zentimeter langen Sporn. Dies ist Angraecum ferkoanum. Der deutsche Botaniker Rudolf Schlechter (1872-1925) benannte die Pflanze 1918 nach dem Mailänder Unternehmer Paolo Ferko, der Orchideen aus Madagaskar von einem Sammler namens Laggiara erhielt, kultivierte und an ihn nach Berlin schickte.

Angraecum ferkoanum können wir schön aus der Nähe studieren, während wir bei der nächsten Entdeckung den Hals nach oben recken müssen. In der Höhe blüht ein bulbophyllum longiflorum 1Bulbophyllum longiflorum. Das mittlere Sepalum hat ein intensives Rot und an der Spitze noch einen feinen langen Faden - ebenso wie die roten Pedalen. Die Lippe ist langgestreckt und spitz, mit roten Flecken auf gelbem Grund. Die Art ist weit verbreitet und wächst auch in Afrika, Neuguinea und Nordaustralien. Später finden wir noch eine Pflanze dieser Art, bei der sich die Blüten aus der Nähe betrachten lassen.

 

 

angraecum rhynchoglossum

 

Wir stoßen auch auf ein Angraecum mit einer sehr besonderen Blüte, die hier ein intensives Orange hat. Sonst ist Angraecum rhynchoglossum meist gelblich oder grün. Sepalen und Pedalen sind sehr dünn, die Lippe ist an der Basis stark eingeschnürt, der Sporn etwa drei Zentimeter lang.

 

Eine eindrucksvolle Größe hat Angraecum eburneum, mit langen, fächerartig ausgestreckten Blättern.

angraecum eburneum 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

geckoUnser Besuch im Wald bleibt nicht unbeobachtet. Erst lugt ein kleines grünes Gecko zwischen den kräftigen Blättern einer Aloe hervor, dann schaut nochmal ein Braunlemur hinter einem Baum nach uns.

Wenn bei nicht blühenden Arten die genaue Bestimmung oft kaum möglich ist, gelingt meist wenigstens die Eingrenzung der Gattung. Jetzt lernen wir auch Jumellea kennen, die Schwestergattung von Aeranthes. Beide zusammen sind mit Angraecum verwandt. Die erste Pflanze dieser Gattung, die wir sehen, ist Jumellea punctata - gut zu erkennen an den kleinen schwarzen Punkten am Blattgrund.

jumellea punctata

 

 

 

 

 

 

 

 

Rote Farbe in den Wald bringt Bulbophyllum pleurothallopsis - diese seltene und stark gefährdete Orchidee treibt ein kleines schmales Blatt aus der rundlichen grünen Pseudobulbe. Der zarte Stängel trägt bis zu vier winzige Blüten. In seiner Beschreibung notierte Rudolf Schlechter 1924, dies sei eine der winzigen, schwer zu entdeckenden Arten.

 bulbophyllum pleurothallopsis 1

Wolken ziehen auf, und der Wald wird immer dunkler. Bei einem meiner Abstecher seitlich der kleinen Pfade entdecke ich auf einem Baum eine blühende Orchidee mit einem langen Sporn, der kurz hinter der Blüte senkrecht nach unten abknickt. Die weißen Einzelblüten von Jumellea arborescens haben sehr schmale, spitz zulaufende Sepalen und Petalen.

 jumellea arborescens 1

 

eulophia falcigera 1Am 6. Februar verabschiede ich mich von Niry und von Amoron’ny Ala. Wir sind zu einer weiteren kleinen Analamazaotra-Exkursion mit Tina verabredet. Auf dem Weg machen wir in der kleinen Siedlung an der Straße Halt und bewundern eine Eulophia falcigera, eine große Orchidee im Stamm einer Palme, Raphia farinifera. Sie hat zahlreiche große Blüten ausgebildet, deren Sepalen mich in Farbe und Form an Bananen erinnern. Bis 2021 wurde diese Pflanze einer eigenen Gattung namens Cymbidiella  zugeordnet - deren drei Arten, alle endemisch für Madagaskar, wurden dann in der Gattung Eulophia integriert.

Unser anschließender Weg beginnt am Gebäude des Mitsinjo-Projekts und führt uns in einem bulbophyllum analamazoatrae 1großen Bogen durch den westlichen Teil des Waldes, der nicht als staatlicher Nationalpark, sondern von der örtlichen Organisation Mitsinjo verwaltet wird. Tina macht uns auf ein kleines Bulbophyllum aufmerksam, das für Analamazaotra endemisch ist. Es hat kleine rundliche Pseudobulben, aus denen jeweils ein Blatt wächst. Der Berliner Botaniker Rudolf Schlechter hat die kleine Pflanze nach diesem Wald benannt - sich aber bei dem für deutsche Leser schwierigen Namen vertan. Sein Fehler bei der Beschreibung von Bulbophyllum analamazoatrae im Jahr 1925 blieb unkorrigiert - die Art war schließlich wissenschaftlich gültig beschrieben. Leider sehen wir sie ohne ihre kleinen gelben Blüten. 

Aus einer vierkantig geformten Pseudobulbe wachsen die beiden länglichen Blätter von Bulbophyllum occultum. Später sehen wir es auch etwas höher in einem Baum mit seinem charakteristischen Blütenstand - die Brakteen verdecken die kleinen rötlichen Blüten vollständig, was der Orchidee ihren Namen gegeben hat.

bulbophyllum occultum 1

bulbophyllum occlusum 1Wir schauen uns ein weiteres Bulbophyllum genauer an. Die großen runden und flachen Pseudobulben sind an den Rändern teilweise ziegelrot gefärbt - das ist ein typisches Merkmal für Bulbophyllum occlusum.

Wir sehen erneut Angraecum rhynchoglossum, auch hier mit kräftig orangefarbenen Blüten. Ein Angraecum indrieburneum trägt frische Früchte. Unbestimmt bleiben weitere Bulbophyllum-Arten, auch wenn sie teilweise sehr charakteristische Pseudobulben haben.

Zum Abschied von diesem besonderen Wald begegnen wir schließlich auch dem Indri (Indri indri), der größten Lemurenart von Madagaskar, dessen Klagerufe unvergessen bleiben.