Rund 70 Orchideenarten oder -unterarten blühen in Bayern. Mehrmals nehme ich mir botanische Ziele dort vor. Eine Auswahl von Exkursionen in vier Regionen der bayerischen Voralpen und der Bericht zu einem Ausflug nach Unterfranken gibt einen Überblick zu den dort vorkommenden Orchideen. Für die Erhaltung der bayerischen Orchideen-Flora engagiert sich auch der Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) Bayern.
Wandern am Wendelstein
Im Corona-Jahr 2020 fällt die geplante Skandinavien-Reise im Juni aus, stattdessen fahre ich am 2. Juni mit der Bahn nach Bayrischzell. Mit im Gepäck ist die neue Vollformatkamera, eine Nikon Z6. Weil es noch kein Makro-Objektiv für das Z-System von Nikon gibt, muss ich mich mit meinem bewährten Nikon-Makro 2,8/60 behelfen, es wird ebenso wie das 300mm-Teleobjektiv mit einem Adapterring an die neue Nikon angedockt. Für Landschaftsaufnahmen ist das Z-Zoom-Objektiv 4/24-70mm dabei.
Bereits vom Zug aus sehe ich zwischen Schliersee und Bayrischzell die weißen Blütenstände des Schwertblättrigen Waldvögeleins (Cephalanthera longifolia) am Wiesenhang. Nach der Ankunft im Hotel Königslinde - mein kleines Zimmer mit Balkon hat einen Blick auf den Wendelstein - laufe ich durch den beschaulichen Ort und finde einen schönen Biergarten zum Abendessen. Am Tag darauf zieht es mich zuerst zur Bahnstrecke zurück. Am Hang schaue ich mir die zahlreichen Cephalanthera longifolia an, etliche sind bereits am Abblühen. Hingegen ist ein Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra) erst langsam am Aufblühen.
Recht häufig sind zwei weitere Waldorchideen - das Große Zweiblatt (Neottia ovata) und die Vogelnestwurz (Neottia nidus-avis).
Mein Ziel ist der Wendelstein (1838 m), ich folge dem Wanderweg zu den Almwiesen von Hochkreut, dann weiter zur Siglalm und zur Wendelsteinalm. In 900 Metern Höhe taucht eine einzelne Insektenragwurz (Ophrys insectifera) auf - außerhalb des Mittelmeerraums ist es immer etwas Besonderes, einer Ragwurz zu begegnen. Auch eine knospende Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) erfreut mich am Wegrand. Von den sonst blühenden Pflanzen schaue ich mir das Salomonssiegel (Polygonatum odoratum) näher an. Von den Enzianarten lässt sich in 1250 Metern Höhe zuerst der Bayrische Enzian (Gentiana bavarica) blicken, mit seinen kleinen mittelblauen Blüten. Am König-Maximilian-Weg, dem letzten Abschnitt zum Gipfel, leuchten in 1530 Metern Höhe auch die tiefblauen Kelche des für die Kalkalpen typischen Clusius-Enzians (Gentiana clusii).
Sobald in der Höhe die ersten Almwiesen auftauchen, ist auch das Männliche Knabenkraut (Orchis mascula) da. Hier in den Bergen dominiert die Unterart speciosa - bei Orchis mascula subsp. speciosa ist die Lippe oft gezähnt, die seitlichen Sepalen sind in zierlichen Spitzen verlängert. Sehr adrett!
Vielfältig präsentiert sich auch die übrigen Alpenflora. Trollblumen (Trollius europaeus) recken ihre gelben Blütenkugeln nach oben. Etwas feuchter mag es die rosa blühende Mehlprimel (Primula farinosa), etwas schattiger die buschige Finger-Zahnwurz (Cardamine pentaphyllos). In Gipfelhöhe blüht noch die Alpenaurikel (Primula auricula). In die Felsen schmiegen sich die wunderschönen blauen Glöckchen der Soldanelle (Soldanella alpina) und die kleinen Blüten der Weißen Silberwurz (Dryas octopetala), bei denen ich immer an die sich dicht am Boden haltenden Pflanzen in der irischen Karstregion Burren denken muss. Auf dem Wendelstein-Gipfel ist ziemlich viel los, Seilbahn und Zahnradbahn bringen zahlreiche Besucher in die Höhe. Nach dem Einkehren in der Gaststätte laufe ich auch noch das letzte Stück zum Gipfelkreuz hinauf, von wo aus sich ein schöner Blick auf das Alpenpanorama öffnet.
Am 4. Juni steige ich die andere Seite des Tals hinauf, zum Seebergkopf (1538 m). Die Orchideenflora ist ähnlich wie beim Wendelstein. Eine Cephalanthera longifolia fällt mit weit geöffneten Blüten auf.
Hier blüht auch das Quirlständige Salomonssiegel (Polygonatum verticillatum). Erst bin ich auf der schattigen Nordseite des Bergmassivs, dann gelange ich auf die Südseite. Auf den Almwiesen der Neuhütte (1235 m) blühen viele Mehlprimeln sowie Orchis mascula - manche mit einheitlich purpurvioletten Blüten, andere mit weißen Petalen. Beim Abstieg schaue ich nach Alpen-Pippau (Crepis alpestris) und Gold-Pippau (Crepis aurea). Besonders schön blüht auch die Goldnessel (Lamium galeobdolon).
zwischen Hahnenfuß und Kuckucks-Lichtnelken
Am 5. Juni bleibe ich im Tal, um mir Feuchtwiesen im Leitzachtal anzuschauen. Zwischen Wald, Bach und Straße erstrecken sich ausgedehnte Wiesen, die vom Gelb der Hahnenfuß-Blüten (Ranunculus acris) und dem Violett der Kuckucks-Lichtnelken (Silene flos-cuculi) dominiert werden, dazwischen strecken sich vereinzelt purpurne Blütenstände von Knabenkraut-Orchideen nach oben.
Diese wollen genau angeschaut werden. Auf den Wiesen blühen vier verschiedene Dactylorhiza-Arten und etliche Hybriden. Oft muss ich mich damit abfinden, diese nicht genau bestimmen zu können. Manchmal aber sind die Einflüsse von zwei Elternarten so eindeutig, dass eine Bestimmung gewagt werden kann. Zuerst sehe ich das Fuchs'sche (Dactylorhiza fuchsii) und das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis). Dactylorhiza majalis (unten rechts) ist schon etwas weiter in der Blüte, zum Teil bereits abblühend, Dactylorhiza fuchsii (unten links) ist etwas später dran, zum Teil noch knospend und aufblühend.
Hybriden zwischen diesen beiden Arten sind recht häufig. Mal dominiert in Form und Farbe der Blütenlippen der Einfluss von majalis:
Mal überwiegt der Einfluss von Dactylorhiza fuchsii, farblich und mit dem vorgezogenen mittleren Lappen der Blütenlippe - während die übrige Gestalt der Lippe eher mit Dactylorhiza majalis übereinstimmt. Laut Wolfgang Eccarius (Die Orchideengattung Dactylorhiza. Eisenach 2016. S. 591) ist diese Verbindung die am häufigsten auftretende Hybride der Gattung Dactylorhiza. Benannt nach dem österreichischen Ingenieur Heinrich Braun (1851-1920) wurde sie auch als Dactylorhiza xbraunii bezeichnet.
In den ausgedehnten Feuchtwiesen im Leitzachtal blühen auch gelbe Trollblumen (Trollius europaeus), weißer Fieberklee (Menyanthes trifoliata), das violette Sumpfläusekraut (Pedicularis palustris) und Wollgras (Eriophorum angustifolium). Am Waldrand stehen Neottia ovata dicht an dicht.
Auf dem Rückweg nehme ich einen Weg, der näher an der Straße liegt, und dort haben die Feuchtwiesen noch einen etwas anderen Charakter. Hier fällt mir sofort das Fleischfarbene Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata) auf, mit deutlich kleineren Blüten und meist ungefleckten Blättern.
Jedes Knabenkraut auf der Wiese ist anders. Die Dactylorhiza majalis sind schon in Hochblüte, zum Teil auch abblühend und zusätzlich an ihrer dunklen Blütenfarbe zu erkennen. Heller blühen Dactylorhiza incarnata und fuchsii, beide - vor allem fuchsii - sind auch erst am Aufblühen. Dann gibt es einzelne Pflanzen, die schon von weitem auffallen, weil sie anders sind, größer. Zu ihnen gehört ein Knabenkraut, das ich als Hybride von Dactylorhiza fuchsii und incarnata bestimme. Es wurde auch als Dactylorhiza xkerneri beschrieben. Die Arbeitsgruppe Einheimische Orchideen der Schweiz (AGEO) nennt als besondere Merkmale dieser Hybride: Habitus robuster und Infloreszenz länger als bei reiner Dactylorhiza fuchsii. Oberseitige Laubblattbefleckung von reiner Dactylorhiza fuchsii verschwommen vorhanden. Blüten dunkler rot als bei Tieflandform der reinen Dactylorhiza fuchsii und Mittellappen der Lippe weniger ausgeprägt.
Schließlich sehe ich auf dieser unteren Wiese ein Knabenkraut mit auffallend ausgestreckten Blättern und eher kleinem Blütenstand. Das ist wohl das Lappländische Knabenkraut (Dactylorhiza lapponica). Das aus Skandinavien bekannte Lappländische Knabenkraut wurde im Alpenraum lange übersehen (bzw. war in Vergessenheit geraten) und wohl überwiegend mit ähnlichen Arten verwechselt, erklärt der Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) Bayern. Der Erstnachweis in Bayern erfolgte im Jahr 1987. Das Lappländische Knabenkraut ähnelt Traunsteiners Knabenkraut (Dactylorhiza traunsteineri) und zierlichen Exemplaren des Breitblättrigen Knabenkrautes (Dactylorhiza majalis), ist aber mit einer Wuchshöhe von 10 bis 25 cm meist kleinwüchsiger als diese beiden Arten.
Vom Spitzingsee ins Tal der Roten Valepp
Mit einem Leih-Fahrrad fahre ich am 8. Juni von Bayerischzell zum Spitzingsee. Die Steigung zum 1080 Meter hoch gelegenen See hat es in sich, aber schließlich treffe ich glücklich dort ein.
Am Ende des Sees führt ein schmaler Fahrweg ins Valepp-Tal. Der muntere Gebirgsbach ist der einzige Abfluss des Spitzingsees. Am Anfang weist eine Tafel auf das Mangfallgebirge hin, benannt nach dem Fluss, der in Rosenheim in den Inn mündet. Auch der Wendelstein und der Seebergkopf gehören zum Mangfallgebirge.
Bald wird das Tal breiter und öffnet sich für schöne Feuchtwiesen. Hier blühen fast alle Dactylorhiza-Arten der Region. Ich studiere die Einzelheiten von Dactylorhiza traunsteineri und rätsele über manche Pflanze, die eindeutig eine Hybride ist - welche Verbindung lässt sich aber oft nicht sagen. Dactylorhiza majalis ist auch in gut 1000 Metern Höhe am Abblühen. Dactylorhiza incarnata ist in schönster Hochblüte, Dactylorhiza fuchsii, traunsteineri und lapponica sind unterschiedlich weit, aber eher noch am Aufblühen. Die Wiese ist auch sonst vielfältig blühend mit Vergissmeinnicht, Hahnenfuß, Wollgras, Mehlprimeln, Trollblumen und Bachnelkenwurz.
Dactylorhiza incarnata x majalis (unten links) tritt überall dort relativ häufig auf, wo beide Elternarten vorkommen. Die Laubblätter sind gefleckt (-> majalis), aber eher schmal (-> incarnata), die Blüten sind dunkler und haben breitere Seitenlappen (-> majalis). Seltener ist Dactylorhiza fuchsii x traunsteineri (unten rechts) mit schmalen und steil aufwärts gerichteten Laubblättern (-> traunsteineri), einem lockeren Blütenstand (-> traunsteineri) und einem deutlich vorgezogenen Mittellappen der Blütenlippe (-> fuchsii).
An den seitlich weit ausgebreiteten Laubblättern und dem kleinen gedrungenen Blütenstand lässt sich Dactylorhiza lapponica auch auf den Valepp-Wiesen gut erkennen.
Hybriden können ganz unterschiedlich sein, mal eher dem einen oder dem anderen Elternteil nahe sein. So blüht in den Valepp-Wiesen auch ein Knabenkraut mit ungefleckten Blättern und sehr breiten Blüten, das wohl eine Hybride von Dactylorhiza fuchsii und incarnata ist, sich bei gleicher Form des Blütenstands aber deutlich von der gleichen Hybride im Leitzachtal unterscheidet. Gemeinsam sind ihnen die jeweils sehr langen Tragblätter.
Das Tal wird enger und der Wald schiebt sich an die Ufer der Roten Valepp heran. Ich stelle das Rad ab und laufe ein kleines Quertal hinauf. Hier ist auch die Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) am Aufblühen. Und an einer Hangkante steht eine Ophrys insectifera mit dunklen Blüten.
Auch hier blühen viele Cephalanthera longifolia, die das Teleobjektiv in eine verträumte Märchenwald-Szene setzt.
Wieder ins Tal hinauf fällt mir auf dem Rad etwas Gelbes im Wald auf: Am Rand einer feuchten Senke, im Übergang zum Tannenwald hat sich ein wunderschöner Frauenschuh-Horst eingerichtet:
Almwiesen und Bachschluchten
In der Nacht zum 9. Juni regnet es viel, aber dann klart es ein wenig auf und ich laufe von Bayrischzell aus ein weiteres Mal nach Süden, um an das andere Ende des Seebergkopfes zu gelangen. Erst geht es durch einen wolkenverhangenen Wald, in dem Pflanzengeister selbstvergessen den Vormittag durchträumen. Dann an der Quelle vorbei, die ich schon kenne. Den ganzen Weg entlang rauscht es heute in vielen kleinen Wasserfällen und sprudelnden Bächen.
Ziemlich durchnässt ist Orchis mascula hinter der Neuhütte, wo sich der Weg gabelt. Diesmal laufe ich nicht zum Seebergskopf hinauf, sondern weiter nach Westen.
Im Wald gibt es kleinere Feuchtwiesen, in denen Dactylorhiza majalis blühen. Bevor der Weg zur Klareralm abbiegt, werden die Wiesen weiter. Hier wächst neben Dactylorhiza traunsteineri auch Gymnadenia conopsea - die hier schon erstaunlich weit aufgeblüht ist.
Weiter laufe ich zur Niederhoferalm. Östlich davon sehe ich in den Wiesen eine Dactylorhiza-Hybride mit einem sehr langgestreckten merkwürdigen Blütenstand - vermutlich eine Verbindung von Dactylorhiza fuchsii mit traunsteineri.
Dann verlasse ich die vielfältigen Almwiesen und tauche wieder in den Wald ein. Der Weg führt durch die Wackbachschlucht mit viel rauschendem Wasser. Am Wegrand blüht Platanthera bifolia.
Auf dem schmalen wildromantischen Weg zurück ins Tal überrascht mich noch ein schönes Cypripedium calceolus.
Am 10. Juni hat sich das Wetter noch nicht wesentlich gebessert. So laufe ich nur eine kleine Runde aufs Sudelfeld, in ein Wintersportgebiet, das jetzt ziemlich verlassen wirkt. Unterwegs begegnen mir außer Kühen auch Orchis mascula, Dactylorhiza majalis und Dactylorhiza fuchsii.
Rotwand-Wanderung
Zum letzten Tag meiner Zeit in Bayrischzell ist nochmal schönes Wetter angesagt. So breche ich zur längsten Wanderung auf, zur Rotwand, dem mit 1884 Metern höchsten Berg im bayerischen Teil des Mangfallgebirges.
Schnellen Schrittes laufe ich durchs Leitzachtal, grüße mit einem Seitenblick die Knabenkräuter in den Feuchtwiesen und biege dann ab ins Alpbachtal.
Seinem Lauf folge ich nach Südwesten. Der schöne Pfad führt an vielen Neottia ovata und an zwei Cephalanthera longifolia direkt an einem großen Ameisenhaufen vorbei. Als es etwas steiler hinaufgeht, steht auch ein schönes Pärchen von Neottia nidus-avis am Wegrand.
Immer wieder zeigen mir besondere Pflanzen, wie wenig ich eigentlich kenne und wie vielfältig die Flora hier ist. Näher schaue ich mir eine Pflanze mit vielen hellen Blüten an, die erst bei näherem Draufschauen zeigen, dass sie kleine rote und gelbe Punkte auf den Blütenblättern haben, die Insekten als Honigmale dienen. Dies ist der auch als Alpen-Sanikel bezeichnete Rundblättrige Steinbrech (Saxifraga rotundifolia).
Auf den ersten Almwiesen oberhalb des Waldes sind noch Orchis mascula subsp. speciosa in schönster Blüte. Dieses Knabenkraut ist vielleicht die typischste Orchidee des Mangfallgebirges. Sie erscheint ab etwa 1000 Metern, ist dann aber zuverlässig auf allen Wiesen zu sehen. Immer höher geht es hinauf, bis zum Soinsee in etwa 1460 Metern Höhe. Der klare See wurde von Gletschereis geschaffen, im Wasser spiegeln sich die Ruchenköpfe. In der Umgebung des Sees schaue ich die Blüten des Alpen-Fettkrauts (Pinguicula alpina), die im Unterschied zum Gemeinen Fettkraut (Pinguicula vulgaris) nicht blaue Blüten hat, sondern weiße mit einem gelben Tupfer.
Über dem See erheben sich die Ruchenköpfe. Ihr langgezogener Grat ragt bis 1805 Meter auf - ich passiere sie erst an ihrer Vorder-, dann an ihrer Rückseite.
Auf der Höhe laufe ich weiter bis zur 1500 Meter hoch gelegenen Großtiefentalalm. Erst danach geht es wieder steiler hinauf. Ich folge einem schmalen, aber gut markierten Pfad zur Kümpfl-Scharte. Unterwegs sehe ich ein Murmeltier am Eingang zu seinem Bau, das ich länger beobachte.
Nach einer Stärkung im Rotwandhaus fällt das letzte Stück Weg zum Gipfel nicht mehr schwer. In gut 1880 Metern Höhe spielen Sonne und Wolken miteinander, die Wolken sind in ständiger Bewegung, öffnen den Blick auf Berge und verdecken ihn wieder.
Beim Abstieg wähle ich einen anderen Weg, der noch ein Stück hinauf führt, über nasse und teilweise verschlammte Pfade. Neben dem tiefblauen Clusius-Enzian tanzen an den Felshängen auch die Glöckchen von Soldanella alpina. Eindrucksvoll ist auch das Blattreiche Läusekraut (Pedicularis foliosa), das ich mit seinen gelben Blüten zuvor noch nie gesehen habe.
Schließlich komme ich nach etwas mühsamer Wanderung im Rücken der Ruchenköpfe wieder am Soinsee an. Der Tag neigt sich schon zu Ende, so dass es Zeit wird, wieder nach Bayrischzell zu kommen, wo ich nach 28 km auch glücklich eintreffe und mich vom Mangfallgebirge verabschiede.
Am 6.6.2020 breche ich mit einem Orchideenfreund aus Bayern in den Landkreis Rosenheim auf. Östlich vom Wendelstein erkunden wir zunächst einen Hang mit schüchtern aufblühenden Platanthera bifolia und zahlreichen Ophrys insectifera.
Dann laufen wir in ein etwa 1100 Meter hoch gelegenes Bachtal hinein. In der feuchten Bachsenke blühen Dactylorhiza-Arten, auf den schönen Wiesen Gymnadenia conopsea und auch ein aufblühendes Brandknabenkraut (Neotinea ustulata).
Geschützt unter den Resten einer umgestürzten Tanne grüßt uns ein Frauenschuh (Cypripedium calceolus).
Sehr lebendig sind die Wiesen im Tal. Neben Orchis mascula, Dactylorhiza fuchsii und Dactylorhiza majalis blühen hier auch Dactylorhiza lapponica und Traunsteiners Knabenkraut (Dactylorhiza traunsteineri) - mit schmalen aufwärts gerichteten Laubblättern und großen dunklen Blüten. Nicht mehr erwartet hätte ich hier das schon im April aufblühende Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio), aber in gut 1000 Meter Höhe verzögert sich die Vegetation.
Und dann verbirgt sich im Gras auch noch die Grüne Hohlzunge (Dactylorhiza viridis), mit kräftigen rötlich gefärbten Blüten.
Unser Ziel ist ein besonderes Hochmoor, das am Anfang des Tals wie verzaubert im Wald vor sich hinträumt.
Am Rand wachsen Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia), Rosmarinheide (Andromeda polifolia) und Gelbes Veilchen (Viola biflora).
Aber der besondere Höhepunkt ist dann eine kleine Orchidee, die sich mit ihren winzigen Blüten feengleich zwischen Blaubeersträuchern aus dem Moos nach oben reckt, das Kleine Zweiblatt (Neottia cordata).
Die zwei kleinen Laubblütter sind ganz unten am Stängel, aber etwas über dem Boden.
In einem benachbarten Buchenmischwald blüht eine ebenso winzige Schönheit, die Korallenwurz (Corallorhiza trifida). Es sind nur drei Pflanzen, die mit ihren Stängeln aus dem Waldboden wachsen.
Auf dem Weg zurück laufen wir über die Höhen. Ein großer Bergahorn steht auf der Wiese - obwohl sein Stamm völlig ausgehöhlt ist, trägt er reichlich Blätter.
Dann verlassen wir die Höhen und fahren ins Voralpenland, Richtung Rosenheim. Wir schauen uns ein Niedermoor an, mit kniehohem Schilfgras und fünf Orchideenarten. Neben vereinzelten Dactylorhiza incarnata und dem Strohgelben Knabenkraut (Dactylorhiza ochroleuca) treibt auch die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) ihre Knospen aus. Vor allem aber blüht hier sehr reichlich das Sumpf-Knabenkraut (Anacamptis palustris), auch in erstaunlich vielen Albiflora-Formen.
Ziemlich groß wächst hier das Sumpf-Glanzkraut (Liparis loeselii), das ich auf Öland sehr viel kleiner gesehen habe. Dies gibt Gelegenheit, die besondere Blüte mit der fast durchsichtig kristallenen Lippe genauer zu studieren.
lebendige Wiesen
Zehn Jahre nach einer ersten Exkursion ins Murnauer Moos will ich das größte zusammenhängende Moorgebiet in Mitteleuropa nochmal genauer erkunden. Am 13. Juni 2015 fahre ich mit dem Rad den Moosrundweg entlang. In den feuchten Wiesen rechts und links blüht tausendfach das Fleischfarbene Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata). Der Morgentau bringt das Violett der Blüten zum Leuchten, dazwischen blühen auch immer wieder kleinere Gruppen des Strohgelben Knabenkrauts (Dactylorhiza ochroleuca). Nach Süden weitet sich der Blick zum Zugspitz-Massiv, wo noch Schnee liegt.
Aber die spannenden Dinge ereignen sich in der Wiese. Denn hier blüht auch das Fuchs'sche Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii) - mit klaren Unterschieden zu Dactylorhiza incarnata: Der Blütenstand ist meist nicht so dicht besetzt, die Tragblätter sind kleiner, die seitlichen Sepalen sind eher waagrecht ausgestreckt als nach oben, und die Lippe ist sehr akzentuiert dreilappig. Schwieriger aber wird es bei Pflanzen, die nicht so eindeutig einer der beiden Arten zuzuordnen sind - hier gibt es ein lebhaftes Hybrid-Geschehen, mit mannigfaltigen Zwischenformen von Dactylorhiza-Arten. Und zu meiner Freude finde ich auch eine Albiflora-Form von Dactylorhiza incarnata - mit weißlicher Grundfärbung und Resten des Farbpigments Anthocyanin deutlich von Dactylorhiza ochroleuca zu unterscheiden. Die weiße Blütenfarbe bringt die charakteristische Blütenform von Dactylorhiza incarnata besonders gut zum Ausdruck.
Im dichten Gras, zwischen Schachtelhalm und den gelben Klappertopf-Blüten (Rhinanthus angustifolius) entdecke ich auch die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), direkt am Weg blüht sie, im oberen Blütenstand noch knospend.
Aber damit nicht genug der Entdeckungen. Als ich mir Zeit lasse, um mit dem Stativ eine Dactylorhiza incarnata zu fotografieren, entdecke ich im Gras auch eine Honigorchis (Herminium monorchis).
Außerdem blüht hier eine einzelne Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea). Und schließlich sehe ich auch Traunsteiners Knabenkraut (Dactylorhiza traunsteineri), in einer ganz anderen Erscheinung als die beiden anderen Knabenkräuter, lockerblütig und dunkel, mit schönen ausgeprägten Einzelblüten an kräftigen Tragblättern, gerade erst aufblühend.
Flora in Fülle: Im Moor betrachte ich auch das Schmalblättrige Woillgras (Eriophorum angustifolium), Schwertlilien (Iris sibirica), die Kleine Brunelle (Prunella vulgaris), den Schlangen-Knöterich (Polygonum bistorta), Wiesen-Augentrost (Euphrasia rostkoviana), das Sumpfläusekraut (Pedicularis palustris) und die Feld-Witwenblume (Knautia arvensis).
Blümchensex
In Grafenaschau verweile ich zur Mittagsrast. Danach kommt die Sonne raus, es wird schön warm. Auf den Wiesen tanzen Baumweißlinge (Aporia crataegi). Die Flügel der Weibchen haben eine reduzierte Beschuppung, so dass das Violett der Flockenblume (Centaurea jacea) durchscheint. Auf einer zur Straße hin offenen Waldlichtung wachsen unten, wo es etwas feuchter ist, Dactylorhiza incarnata. Oben, am Waldrand, blühen etliche Dactylorhiza fuchsii - und dazwischen einige hochgewachsene Hybriden von beiden Arten. Außerdem sehe ich auf der besonderen Wiese auch die Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) und Epipactis palustris - mit einem Nektar saugenden Insekt.
Dann folge ich dem Köchelweg zum östlichen Rand des Murnauer Mooses. Entlang des Weges blühen Dactylorhiza traunsteineri in großen Gruppen, außerdem Dactylorhiza incarnata und auch die Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia). Eine Dactylorhiza fuchsii hat eine besondere, intensiv gefärbte Lippenzeichnung.
Am 14. Juni radle ich nach Uffing, wo am westlichen Ufer des Staffelsees ein ausgedehntes Moorgebiet mit schönen Wiesen beginnt. Oberhalb eines lauschigen Badeplatzes blühen Dactylorhiza incarnata, manche auch in hellem Rosa. Auf dem Weg am See entlang folgen auch Platanthera bifolia, eine knospende Epipactis palustris, Dactylorhiza fuchsii und neben Gymnadenia conopsea auch die Wohlriechende Händelwurz (Gymnadenia odoratissima).
Ich komme schließlich auf eine Wiese mit zahlreichen Gymnadenia conopsea und einigen Dactylorhiza incarnata und beobachte ein Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), wie es die Gymnadenia-Blüten mit seinem langen Rüssel absaugt und die Nektartäuschblumen von Dactylorhiza incarnata wissend ignoriert. Etwa fünf Minuten lang begleite ich das Taubenschwänzchen auf seiner Nektarsuche. Wenn es fündig wird, steht es mit 80 Flügelschlägen pro Sekunde in der Luft. Die Schweizer Botanikerin Karin Gross hat untersucht, von welchen Signalen sich das Taubenschwänzchen auf einer Gymnadenia-Wiese leiten lässt - und herausgefunden, dass wahrscheinlich Größe, Anzahl der Blüten und Duft den Ausschlag geben.
Das Taubenschwänzchen nimmt auch Pollinien der Händelwurz mit und betätigt sich so als Bestäuber - ebenso wie dieses Pärchen des Fleckenhörnigen Halsbocks (Paracorymbia maculicornis), das sich zur Fortpflanzung auf einer Dactylorhiza fuchsii niedergelassen hat - ein Käfer trägt aber auch Pollinien der Orchidee.
Der Weg führt mich weiter am Ufer des Staffelsees entlang in Richtung Murnau. Auf einer großen von Wald umsäumten Wiese fallen mir große, besonders kräftige Knabenkräuter auf, mit breiten Blättern und markanten Blattflecken - das müsste das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) sein. Auch scheint es hier etliche Hybriden mit anderen Arten zu gehen. Ein heftiges Gewitter zieht auf, und ich entschließe mich, nach Murnau zurückzufahren. Aber am nächsten Tag will ich noch einmal hierhin.
Hybridenvielfalt
So erkunde ich am 15. Juni die Wiese am südwestlichen Ufer des Staffelsees ein weiteres Mal, diesmal im Dauerregen. Nun bin ich überzeugt, dass es sich bei den Pflanzen am Wegrand um Dactylorhiza majalis handelt: dicht besetzter Blütenstand, mittelgroße Blüten, lilapurpurn, seitliche Sepalen zurückgeschlagen, dreilappige Lippe mit etwas vorgezogenem Mittellappen, helles Lippenzentrum, klares Schleifenmuster, Sporn leicht abwärts gebogen. gedrehter Fruchtknoten, Tragblätter länger als der Fruchtknoten und dunkelpurpurn überlaufen.
Auf der Waldwiese wachsen etliche Hybriden. Einige fallen bereits dadurch auf, dass sie deutlich größer sind als die eindeutig einer bestimmten Art zuzurechnenden Pflanzen. Neben einer Dactylorhiza incarnata steht eine etwa doppelt so große Pflanze mit gekielten und leicht gefleckten Blättern. Die Blüten haben dreilappige Lippen mit Schleifenmuster, die Seitenlappen sind abwärts gebogen. Ich denke, hier (links) handelt es sich um eine Hybride von Dactylorhiza incarnata mit Dactylorhiza majalis, die auch als Dactylorhiza xaschersoniana beschrieben wurde. Hingegen haben zwei andere Pflanzen (rechts) zwar auch hellere Blüten, diese sind aber breit ausladend. Der Sporn ist am Anfang etwas dicker, dann konisch zulaufend. Die Blätter sind schmal und gekielt. Dies ist wohl eine Hybride von Dactylorhiza fuchsii mit Dactylorhiza majalis, beschrieben als Dactylorhiza xbraunii.
Wiederum ganz andere Blüten hat ein Knabenkraut am Waldrand: Diese sind ebenfalls hellviolett, aber länglich und haben nach unten weggeklappte Seitenlappen. Die Sepalen sind nach vorn gestreckt. Der Sporn ist so lang wie der Fruchtknoten und nach unten gebogen, die Tragblätter sind deutlich länger als der Sporn. Die Blätter sind schmal, gekielt und stark gefleckt. Belege in der veröffentlichten Literatur (Norbert Griebl, Vorkommen und Verbreitung der Gattung Dactylorhiza in Österreich. In: Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen, Heft 2/2008 sowie Horst Kretzschmar: Systematik, Taxonomie und Nachweis der Hybriden. In: Die Orchideen Deutschlands. Uhlstädt-Kirchhasel 2005) bestätigen die Vermutung, dass dies eine Hybride von Dactylorhiza fuchsii mit Dactylorhiza incarnata ist, beschrieben als Dactylorhiza xkerneriorum.
Im Dauerregen sind die Bedingungen zum Fotografieren nicht so ideal - aber das botanische Geschehen ist hier einfach zu spannend, um darauf Rücksicht zu nehmen. Aber nach zwei Stunden nehme ich dann doch Abschied von diesem besonderen Ort.
Auf Waldwegen radle ich weiter in Richtung Bad Kohlgrub. Auf einer feuchten Bachwiese wachsen Dactylorhiza incarnata, Dactylorhiza majalis und Platanthera bifolia. Hinter Bad Kohlgrub liegt Saulgrub. Dort komme ich am Ortsrand an eine schöne Feuchtwiese mit Dactylorhiza incarnata, Dactylorhiza fuchsii, Gymnadenia conopsea und Epipactis palustris. Mein Tagesziel ist der verwunschene Tiefsee, mitten im Wald gelegen und nur über einen schmalen Pfad zu erreichen.
hinauf zum Ettaler Moos
Am 16. Juni folge ich bei Hechendorf dem Lauf der Loisach nach Süden in Richtung Eschenlohe. Dort liegen noch einige eindrucksvolle Feuchtwiesen mit einer ähnlichen Orchideenflora wie im Murnauer Moos; auch Gymnadenia odoratissima und Epipactis palustris blühen hier.
Ich studiere noch einmal Dactylorhiza ochroleuca und Dactylorhiza traunsteineri, auch eine hochgewachsene Hybride von incarnata mit traunsteineri - der Blütenstand ist lockerer als bei Dactylorhiza incarnata, die Blüten sind dunkler und größer, mit ausgeprägteren Seitenlappen als bei incarnata und seitlich gestreckten Sepalen.
Über Eschenlohe und Oberau gelange ich in die Ammergauer Alpen. Um nach Ettal hinauf zu gelangen, wähle ich statt der Bundesstraße die Alte Ettaler Straße, vor Jahrhunderten eine wichtige, aber mühsame Verbindung auf dem Weg über die Alpen nach Italien. Auf dem steilen Waldweg muss ich das Rad schieben und sehe am Wegrand ein schönes Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra).
In der Ettaler Klostergaststätte kehre ich zum Mittagessen ein. Dann fahre ich weiter zum Weidmoos. Zwischen Seggen-Gräsern (Carex chordorrihiza) blühen Mehlprimel (Primula farinosa) und Fieberklee (Menyanthes trifoliata), auch der Schnee-Enzian (Gentiana nivalis).
Und gleich vier Dactylorhiza-Arten gibt es hier: Neben den schon angetroffenen fuchsii, incarnata und traunsteineri auch das Lappländische Knabenkraut (Dactylorhiza lapponica). Die schmalen und gekielten Laubblätter sind gefleckt, der Blütenstand ist eher locker besetzt, mit relativ kleinen, dunkelvioletten Blüten. Die Lippe ist schwach dreilappig mit vorgezogenem Mittellappen, am Lippengrund ist sie heller. Die spitz zulaufenden Sepalen sind nach oben zurückgeschlagen.
Und ich sehe wieder Hybriden: Eine Paarung von fuchsii mit traunsteineri - etwa 50 cm hoch, noch aufblühend, mit gekielten Blättern, die nur ganz schwach gefleckt sind. Die Brakteen sind länger als der Fruchtknoten und werden nach oben immer kleiner. Die mittelvioletten Blüten sind groß und dreilappig, der Mittellappen leicht nach unten gestreckt. Die Sepalen sind spitz zulaufend und nach oben gestreckt. Eine andere Hybride ist wohl eine Verbindung von lapponica und traunsteineri - etwa 35 cm hoch mit gekielten Blättern, die markant gefleckt sind. Die mittelvioletten Blüten haben Brakteen, die länger als der Fruchknoten sind. Die dreigeteilte Lippe hat einen hellen Grund, die Seitenlippen sind nach unten geschlagen. Die Sepalen sind zur Seite gestreckt und spitz zulaufend.
Eine präzise Zuordnung der vielfältigen Dactylorhiza-Individuen ist oft nicht möglich - es bleibt die Erkenntnis, dass die Artbildungsprozesse hier so vielschichtig sind, dass sie sich zumindest mit morphologischen Bestimmungsversuchen nicht immer erfassen lassen.
Für die fünf Dactylorhiza-Arten der Region halte ich die morphologischen Charakteristika in einer Tabelle fest:
D. fuchsii | D. incarnata | D. lapponica | D. majalis | D. traunsteineri | |
Größe | bis 70 cm | bis 60 cm | bis 25 cm | bis 55 cm | bis 40 cm |
Blätter | schmal, meist gefleckt | schmal, gekielt, ungefleckt | schmal, oft gekielt, gefleckt | breit, meist kräftig gefleckt | schmal, meist gefleckt |
Tragblätter | so lang wie der Fruchtknoten, oft dunkel überlaufen | sehr lang, vor allem unten, oft dunkel überlaufen | mittellang, nach oben kürzer, dunkel überlaufen | länger als der Fruchtknoten, purpurn überlaufen | die unteren länger als der Fruchtknoten, purpurn überlaufen |
Blütezeit | eher spät, bis Ende Juli | eher früh, bis Anfang Juli | eher spät, bis Ende Juli | eher früh, bis Ende Juni | bis Mitte Juli |
Blütenstand | eher dicht, erst kegelförmig, dann zylindrisch | dicht, zylindrisch | locker, zylindrisch | dicht, erst pyramidenförmig, dann zylindrisch | sehr locker, schmal zylindrisch |
Farbintensität der Blüte |
mittel | meist hell | dunkel | mittel bis dunkel | dunkel |
Lippe | breit, stark dreitgeteilt | schwach dreigeteilt | schwach dreigeteilt | schwach dreigeteilt | deutlich dreigeteilt |
Seitenlappen | breit, rundlich | schmal, abwärts gebogen | schmal | rundlich | oft abwärts gebogen |
Mittellappen | lang, dreieckig vorgezogen | kurz | kurz | vorgezogen | vorgezogen |
Lippenmuster | Strich- oder Punktmuster | Schleifenmuster | meist Schleifenmuster | Schleifen-, Punkt- oder Strichzeichnung | Schleifen-, Punkt- oder Strichzeichnung |
Lippengrund | heller | heller | heller | ||
Sporn | waagrecht bis abwärts, deutlich kürzer als Fruchtknoten | konisch, waagrecht bis abwärts, kaum kürzer als Fruchtknoten | konisch, schwach abwärtsgeboten, deutlich kürzer als der Fruchtknoten | konisch, schwach abwärtsgebogen, kaum kürzer als der Fruchtknoten | leicht abwärts geboten, kaum kürzer als Fruchtknoten |
Sepalen | ausgebreitet | nach oben geschlagen | zurückgeschlagen | zurückgeschlagen | aufwärts gerichtet, lanzettlich |
Nach einem Hinweis meines Orchideenfreunds Marco Klüber fahre ich am 30. Mai mit Zug und Fahrrad nach Schweinfurt. Mein Ziel ist das Riedholz bei Schwebheim, ein von einem Bach durchflossenes Wäldchen mit einer angrenzenden Pfeifengraswiese. Am Anfang des Naturschutzgebiets macht mich ein Schild auf den wilden Hopfen aufmerksam. Hier blühen auch Klappertopf (Rhinanthus minor) und Kuckuckslichtnelken (Lychnis flos-cuculi)
Dann geht es hinein ins Naturwaldreservat, das 1999 eingerichtet wurde. Ein Wegweiser der Unteren Naturschutzbehörde weist auf die besondere Art hin, die mich heute hierher geführt hat.
Bald darauf tauchen sie auch auf, rechts und links am schmalen Pfad, der Frauenschuh (Cypripedium calceolus) ist gerade noch in voller Blüte.
Aber der eigentliche Höhepunkt der Exkursion versteckt sich noch etwas weiter im Wald, geschützt von einem Holzgatter. Dort blüht zwischen Brombeeren eine Gruppe von Frauenschuh-Orchideen ohne die braunrote Farbe in Sepalen und Petalen. Wie bei anderen Orchideen wird diese Farbe durch ein Pigment aus der Gruppe der Anthocyanine gebildet, genannt Chrysanthemin. Fällt dieses aus, bleiben Carotinoide und Chlorophyll als farbgebende Pigmente erhalten. Dadurch bildet diese Pflanze gelbe bis grünliche Blüten. Mit dem Tele-Objektiv werden auch Aufnahmen aus der Distanz möglich.
Am Riedholz-Wald grenzt eine ausgedehnte Pfeifengraswiese an, auf der die Wiesen-Schwertlilie (Iris sibirica) blüht. Auch das Helmknabenkraut (Orchis militaris) ist hier zuhause, um diese Zeit schon abblühend.
Auf meiner Rückfahrt nach Schweinfurt komme ich an einer schönen Feuchtwiese vorbei, die schon von weitem mit ihren purpurfarbenen Blütenständen auffällt.
Hier blühen zwei Knabenkräuter, das Fleischfarbene (Dactylorhiza incarnata) mal heller mal dunkler und mit ungewöhnlich langen Blütenlippen, das Breitblättrige (Dactylorhiza majalis) in seiner typischen Ausprägung mit intensiv purpurfarbenen Blüten und breiten Lippen.
Bald darauf bin ich in Schweinfurt zurück, beschließe den Tag mit Gedanken an den wilden Hopfen beim fränkischen Bier.
In den Wäldern am Main
Weiter mainaufwärts im Unterfränkischen gibt es schöne Orchideenwälder zwischen Karlstadt und Lohr am Main, die ich von 2005 bis 2009 wiederholt von Frankfurt aus besuche. Ende Mai und Anfang Juni blüht dort die Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens) mit anmutig angeordneten Blättern und leuchtenden Blüten.
Im Juli folgen dann weitere Arten der Gattung. Am häufigsten ist die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine), die an ihren namengebenden Blättern leicht zu erkennen ist. In der Blüte heben sich die Petalen mit ihrem rötlichen Farbton markant vom Grün der Sepalen ab. Dazu passt die rötliche Vorderlippe (Epichil), die spitz zuläuft und mit einem rundlichen Durchgang zum dunkelbraunen Napf der Hinterlippe (Hypochil) führt. Die Pflanze wird von Insekten bestäubt.
Selbstbestäubend ist hingegen Müllers Stendelwurz (Epipactis muelleri) mit kürzeren und schmaleren Blättern. Die Blüte ist blasser, der Durchgang zwischen Epichil und Hypochil ist eher breit. Die Vorderlippe ist breiter als lang, oft herzförmig.
Ebenfalls autogam, also selbstbestäubend und von zartem Wuchs ist die Schmallippige Stendelwurz (Epipactis leptochila). Die Blüten sind glockenartig nach unten geneigt. Die Vorderlippe ist zugespitzt.
Noch etwas zierlicher als die Blüten von Epipactis leptochila sind die der Übersehenen Stendelwurz (Epipactis neglecta), die meist nach unten hängen. Sie haben lange Tragblätter, die waagrecht oder nach unten stehen. Der Durchgang zwischen Hypchil und Epichil ist sehr eng. Die Lippenspitze ist meist nach unten gebogen.
Erst Ende Juli und Anfang August blüht die Violette Stendelwurz (Epipactis viridiflora - Synonym: Epipactis purpurata). Die Laubblätter der kräftigen Pflanze sind violett überlaufen. die Blüten sind weit geöffnet. Die herzförmige Vorderlippe ist nach vorne gestreckt oder nach unten geschlagen.
Artenliste
- Anacamptis morio
- Anacamptis palustris
- Cephalanthera longifolia
- Cephalanthera rubra
- Corallorhiza trifida
- Cypripedium calceolus
- Dactylorhiza fuchsii
- Dactylorhiza incarnata subsp. incarnata
- Dactylorhiza incarnata subsp. ochroleuca
- Dactylorhiza lapponica
- Dactylorhiza majalis
- Dactylorhiza traunsteineri
- Dactylorhiza viride
- Epipactis helleborine
- Epipactis leptochila
- Epipactis muelleri
- Epipactis neglecta
- Epipactis palustris
- Epipactis viridiflora
- Gymnadenia conopsea
- Gymnadenia odoratissima
- Herminium monorchis
- Liparis loeselii
- Neotinea ustulata
- Neottia cordata
- Neottia nidus-avis
- Neottia ovata
- Ophrys insectifera
- Orchis mascula subsp. speciosa
- Platanthera bifolia
- Platanthera chlorantha