hinauf zum Ettaler Moos
Am 16. Juni folge ich bei Hechendorf dem Lauf der Loisach nach Süden in Richtung Eschenlohe. Dort liegen noch einige eindrucksvolle Feuchtwiesen mit einer ähnlichen Orchideenflora wie im Murnauer Moos; auch Gymnadenia odoratissima und Epipactis palustris blühen hier.
Ich studiere noch einmal Dactylorhiza ochroleuca und Dactylorhiza traunsteineri, auch eine hochgewachsene Hybride von incarnata mit traunsteineri - der Blütenstand ist lockerer als bei Dactylorhiza incarnata, die Blüten sind dunkler und größer, mit ausgeprägteren Seitenlappen als bei incarnata und seitlich gestreckten Sepalen.
Über Eschenlohe und Oberau gelange ich in die Ammergauer Alpen. Um nach Ettal hinauf zu gelangen, wähle ich statt der Bundesstraße die Alte Ettaler Straße, vor Jahrhunderten eine wichtige, aber mühsame Verbindung auf dem Weg über die Alpen nach Italien. Auf dem steilen Waldweg muss ich das Rad schieben und sehe am Wegrand ein schönes Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra).
In der Ettaler Klostergaststätte kehre ich zum Mittagessen ein. Dann fahre ich weiter zum Weidmoos. Zwischen Seggen-Gräsern (Carex chordorrihiza) blühen Mehlprimel (Primula farinosa) und Fieberklee (Menyanthes trifoliata), auch der Schnee-Enzian (Gentiana nivalis).
Und gleich vier Dactylorhiza-Arten gibt es hier: Neben den schon angetroffenen fuchsii, incarnata und traunsteineri auch das Lappländische Knabenkraut (Dactylorhiza lapponica). Die schmalen und gekielten Laubblätter sind gefleckt, der Blütenstand ist eher locker besetzt, mit relativ kleinen, dunkelvioletten Blüten. Die Lippe ist schwach dreilappig mit vorgezogenem Mittellappen, am Lippengrund ist sie heller. Die spitz zulaufenden Sepalen sind nach oben zurückgeschlagen.
Und ich sehe wieder Hybriden: Eine Paarung von fuchsii mit traunsteineri - etwa 50 cm hoch, noch aufblühend, mit gekielten Blättern, die nur ganz schwach gefleckt sind. Die Brakteen sind länger als der Fruchtknoten und werden nach oben immer kleiner. Die mittelvioletten Blüten sind groß und dreilappig, der Mittellappen leicht nach unten gestreckt. Die Sepalen sind spitz zulaufend und nach oben gestreckt. Eine andere Hybride ist wohl eine Verbindung von lapponica und traunsteineri - etwa 35 cm hoch mit gekielten Blättern, die markant gefleckt sind. Die mittelvioletten Blüten haben Brakteen, die länger als der Fruchknoten sind. Die dreigeteilte Lippe hat einen hellen Grund, die Seitenlippen sind nach unten geschlagen. Die Sepalen sind zur Seite gestreckt und spitz zulaufend.
Eine präzise Zuordnung der vielfältigen Dactylorhiza-Individuen ist oft nicht möglich - es bleibt die Erkenntnis, dass die Artbildungsprozesse hier so vielschichtig sind, dass sie sich zumindest mit morphologischen Bestimmungsversuchen nicht immer erfassen lassen.
Für die fünf Dactylorhiza-Arten der Region halte ich die morphologischen Charakteristika in einer Tabelle fest:
D. fuchsii | D. incarnata | D. lapponica | D. majalis | D. traunsteineri | |
Größe | bis 70 cm | bis 60 cm | bis 25 cm | bis 55 cm | bis 40 cm |
Blätter | schmal, meist gefleckt | schmal, gekielt, ungefleckt | schmal, oft gekielt, gefleckt | breit, meist kräftig gefleckt | schmal, meist gefleckt |
Tragblätter | so lang wie der Fruchtknoten, oft dunkel überlaufen | sehr lang, vor allem unten, oft dunkel überlaufen | mittellang, nach oben kürzer, dunkel überlaufen | länger als der Fruchtknoten, purpurn überlaufen | die unteren länger als der Fruchtknoten, purpurn überlaufen |
Blütezeit | eher spät, bis Ende Juli | eher früh, bis Anfang Juli | eher spät, bis Ende Juli | eher früh, bis Ende Juni | bis Mitte Juli |
Blütenstand | eher dicht, erst kegelförmig, dann zylindrisch | dicht, zylindrisch | locker, zylindrisch | dicht, erst pyramidenförmig, dann zylindrisch | sehr locker, schmal zylindrisch |
Farbintensität der Blüte |
mittel | meist hell | dunkel | mittel bis dunkel | dunkel |
Lippe | breit, stark dreitgeteilt | schwach dreigeteilt | schwach dreigeteilt | schwach dreigeteilt | deutlich dreigeteilt |
Seitenlappen | breit, rundlich | schmal, abwärts gebogen | schmal | rundlich | oft abwärts gebogen |
Mittellappen | lang, dreieckig vorgezogen | kurz | kurz | vorgezogen | vorgezogen |
Lippenmuster | Strich- oder Punktmuster | Schleifenmuster | meist Schleifenmuster | Schleifen-, Punkt- oder Strichzeichnung | Schleifen-, Punkt- oder Strichzeichnung |
Lippengrund | heller | heller | heller | ||
Sporn | waagrecht bis abwärts, deutlich kürzer als Fruchtknoten | konisch, waagrecht bis abwärts, kaum kürzer als Fruchtknoten | konisch, schwach abwärtsgeboten, deutlich kürzer als der Fruchtknoten | konisch, schwach abwärtsgebogen, kaum kürzer als der Fruchtknoten | leicht abwärts geboten, kaum kürzer als Fruchtknoten |
Sepalen | ausgebreitet | nach oben geschlagen | zurückgeschlagen | zurückgeschlagen | aufwärts gerichtet, lanzettlich |