Attaviros
Georgios bringt uns danach weiter zur Westküste und wieder nach Norden. Unser Ziel ist das Bergstädtchen Embonas am Fuß des Attaviros, der mit 1215 Metern der höchste Berg auf Rhodos ist.
Nach der Ankunft im Hotel Attaviros warten wir, bis es aufgehört hat zu regnen und laufen in südlicher Richtung aus der Stadt heraus. Bald sind wir wieder in der Phrygana und finden auch gleich Orchideen. Wie schon am Morgen Ophrys polyxo, dann Reinholds Ragwurz (Ophrys reinholdii) und Roberts Mastorchis (Himantoglossum robertianum).
Beim Abendessen im Hotel sind wir mit einer britischen Reisegruppe zusammen, die auf Orchideensuche ist, geleitet von John Dunn und Yiannis Christofidis.
An einem endlich wieder sonnigen Morgen laufen wir am 11. April nach Süden, am Fuß des Attaviros entlang. Bald sehen wir am Wegrand Ophrys sicula, Ophrys omegaifera und Himantoglossum robertianum, zusammen mit dem Nickenden Milchstern (Ornithogalum nutans) und dem Berg-Milchstern (Ornithogalum montanum). Dann sehen wir auch zum ersten Mal auf der Reise das Anatolische Knabenkraut (Orchis anatolica).
Wir laufen einen alten Weinberg hinauf, in den ehemaligen Terrassen blüht die schöne Hufeisen-Ragwurz (Ophrys ferrum-equinum). Das markante silberne Hufeisen-Mal auf der dunklen Lippe ist mal durchgängig, mal unterbrochen. Die Lippe ist fast ungeteilt, ganzrandig, ohne Seitenhöcker. Sepalen und die ziemlich langen purpurroten Petalen sind nach hinten zurückgeschlagen.
Auf dem kalkreichen Weinbergsboden blüht auch die Calypso-Ragwurz (Ophrys calypsus), benannt nach einer Nymphe. Diese Orchidee ist mit der wohl nur auf Kreta vorkommenden Ophrys heldreichii verwandt. Die Höcker der Lippe sind nicht so stark verlängert wie bei Ophrys polyxo. Die Lippe ist bauchig, Sepalen und Petalen haben die gleiche, meist hellviolette Farbe.
Auf der anderen Seite der Straße erstreckt sich an einem Hang ein weiterer ehemaliger Weinberg, ein paar Reben stehen noch. Im oberen Teil der Wiese blühen zahlreiche Ophrys reinholdii, wie ich sie zuerst im Loutani-Tal gesehen habe.
Ich laufe die Wiese hinunter, wo sich ein Bach durch dichtes Gras schlängelt. Wieder etwas weiter oben sehe ich eine Gruppe von Orchideen, die deutlich anders sind als die Hufeisen- oder Reinholds Ragwurz. Zuerst denke ich an eine Hybride, aber später wird mir klar, dass hier die seltene Licht-Ragwurz (Ophrys lucis) blüht. Die Lippen sind ziemlich breit, die Seitenlappen schmiegen sich an die Mitte an, das Mal ist klein und leuchtet.
Weil so viel zu sehen ist, kommen wir kaum voran. Aber schließlich laufen wir am Waldrand weiter, wo die Keuschorchis (Neotinea maculata) in 550 Metern Höhe noch am Blühen ist. Unsere Mittagsrast halten wir inmitten von Rhodischen Alpenveilchen (Cyclamen rhodium).
Wir laufen noch bis zur kleinen Kapelle von Agios Georgios. Auch dort blühen schöne Ophrys reinholdii, zusammen mit Ophrys sicula, Ophrys omegaifera und Orchis anatolica. Dann kehren wir um und beschließen den Tag mit Fachgesprächen mit John Dunn und seiner Gruppe.
Am 12. April möchten wir uns zunächst die Licht-Ragwurz noch einmal genauer anschauen. Die unteren Blüten sind schon verblüht, eine hat bereits einen Fruchtstand ausgebildet. Eine Pflanze hat eine ungewöhnlich intensive Rotfärbung in der Lippe.
Dann laufen wir weiter bis zur Kapelle und von dort aus den Fahrweg in Richtung Attaviros-Gipfel. Unterwegs fallen uns immer wieder noch nie gesehene Pflanzen auf. Dies hier müsste wohl eine Kälteliebende Schwarzwurzel (Scorzonera psychrophila) sein, die als ziemlich selten gilt.
Immer höher laufen wir hinauf. Wir passieren zunächst einen Hang mit vielen Orchis anatolica und schönen Blicken aufs Meer, auf Chalki und viele andere Inseln. Dann geht es durch einen eigentümlichen Märchenwald mit vielen Kronen-Anemonen (Anemone coronaria). Zuletzt geht es eine karge Hochfläche hinauf mit niedrigen Phrygana-Gewächsen und einigen wenigen Orchideen. Schließlich kehren wir wieder um. Ich steige noch einmal den Hang mit den vielen Orchis anatolica hinauf. Dort blüht eine einzelne Weißglanz-Ragwurz (Ophrys candica) mit rechteckiger Lippe, schwach ausgeprägten Seitenhöckern und einem kleinen Basalfeld.
Profitis Ilias
Am 13. April verabschieden wir uns von Embonas und laufen bei bewölktem Himmel und lebhaftem Wind in Richtung Profitis Ilias, dem mit 798 Metern zweithöchsten Berg auf Rhodos. Dabei machen wir zunächst noch einen kleinen Umweg zur Nordostseite des Attaviros. Auf einem Phrygana-Hügel hinter einem Olivenhain blühen Ophrys ferrum-equinum, Ophrys reinholdii und Anacamptis papilionacea. Auf unserem weiteren Weg begegnen uns auch Ophrys mammosa und Ophrys regis-ferdinandii, am Waldrand blüht blau die Mittagsschwertlilie (Moraea sisyrinchium). Schließlich treffen wir am Profitis Ilias ein, wo sich uns eine noch etwas andere Orchideenflora präsentiert als am Attaviros. Dazu gehört das Provenzalische Knabenkraut (Orchis provincialis).
Aber auch Neotinea maculata blüht noch, während der Violette Dingel (Limodorum abortivum) gerade erst seine spargelähnlichen Triebe nach oben schiebt. Die häufigsten Ragwurzarten hier sind Ophrys reinholdii und Ophrys heterochila mit seinen großen Blättern und dem ausgeprägten Basalfeld am Lippeneingang der Blüten.
Am 14. April, dem letzten Sonntag unserer Reise, laufen wir einmal im Uhrzeigersinn um den Profitis herum. In den geheimnisvollen Wäldern unterhalb des Hotels Elafos schiebt der Krummstab (Arisarum vulgare) seinen Blütenkolben nach oben. Die häufigste Orchidee ist Orchis anatolica. Aber wir sehen auch Neotinea maculata und Ophrys reinholdii wieder.
Auf halbem Weg entdecken wir in einem etwas feuchteren Waldstück das Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio). In 640 Metern Höhe ist das sonst eher früh blühende Knabenkraut noch in schönster Blüte.
Wo ein kleiner Bach den lockeren Kiefernwald durchquert, blüht auch das Lockerblütige Knabenkraut (Anacamptis laxiflora). Mit dieser Entdeckung hätte ich nie gerechnet, zumal diese Art auf Rhodos nur noch auf einigen wenigen Standorten vertreten ist. Immer wieder laufen wir durch die stillen Wälder. Auch auf dem Weg begegnen wir nur selten anderen Menschen.
Ophrys attaviria ist hier schön zu finden. Und kurz vor Ende unseres Rundwegs sehen wir auch den auf Rhodos eher seltenen Ohnsporn (Orchis anthropophora) am Waldrand blühen.
Am 15. April weckt uns ein Regenbogen und wir laufen einen kleinen Pfad vom Profitis Ilias hinab. Viele Serpentinen führen uns durch die Felsen nach unten, wo wir ein Wäldchen mit kleinwüchsigen Kermeseichen durchqueren.