Das Naturschutzgebiet Wolferskopf bei Beckingen im Kreis Merzig-Wadern ist Ziel eines Tagesausflugs am 6. Juni 2023. Von Haustadt aus laufe ich nach Nordwesten, wo ich die rund 300 Meter hoch gelegene Anhöhe bald vor mir sehe.
Streuobstwiesen mit Purpur-Pyramiden
Am Wegesrand fällt mir eine hochgewachsene Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus) auf, die im Unterschied zur Wiesen-Glockenblume (Campanula patula) auf Halbtrockenrasen zuhause ist. Und sie liebt Kalkboden. Der Wolferskopf ist geologisch von Muschelkalk geprägt, im unteren Bereich von Kalkmergel. Dazwischen sammelt sich Quellwasser in feuchten Senken - und das ist ein wichtiger Standortfaktor für das Übersehene Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa), das Hauptziel meines Ausflugs. Als erste Orchidee sehe ich aber das Purpurknabenkraut (Orchis purpurea), das Anfang Juni schon den Höhepunkt seiner Blüte überschritten hat.
Der Weg führt zu einer ausgedehnten Streuobstwiese mit Myriaden von gelben Blüten des Kleinen Klappertopfs (Rhinanthus minor). Das Gras ist hier Anfang Juni schon sehr hochgewachsen, aber gut, dass noch nicht gemäht wurde. Denn zwischen den Apfelbäumen blühen noch etliche Orchideen, vor allem die rosa bis purpurfarben blühende Pyramiden-Hundswurz (Anacamptis pyramidalis). Ihre Laubblätter sind schon ganz gelb und braun, die Trockenheit der vergangenen Wochen macht den Pflanzen zu schaffen.
In dieser besonderen Kulturlandschaft fühlt sich auch die Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) wohl. Sie ist recht häufig hier, vereinzelt ist auch die Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) vertreten. Beide Arten lassen sich deutlich unterscheiden, wenn man in ihre Blüten schaut. Bei Platanthera bifolia stehen die Antherenfächer (Staubblätter) mit den Pollinien eng zusammen, bei Platanthera chlorantha sind sie trapezförmig nach unten gespreizt.
Groß ist meine Überraschung, als ich im Gras auch zwei Ragwurzarten entdecke. Die Hummel-Ragwurz (Ophrys fuciflora) ist besonders vielgestaltig. Die Lippen der Blüten sind meist breit, mit ausgeprägtem Anhängsel. Manchmal sind sie auch länglicher und erinnern an Ophrys scolopax aus dem Mittelmeerraum. Auch die Farbe der Sepalen und die Länge der Petalen können ganz unterschiedlich ausfallen.
Die Bienenragwurz (Ophrys apifera) ist hier seltener als die "Hummel". Sie ist Anfang Juni noch am Aufblühen - ein Pollinienstil hat sich aber schon für die Selbstbefruchtung nach unten gebogen.
Für das Helmknabenkraut (Orchis militaris) bin ich zu spät dran. Dass dieses aber auch hier vertreten ist, zeigt eine abblühende Hybride von Orchis militaris mit Orchis purpurea. Zur Vielfalt der Orchideenflora auf dieser Streuobstwiese gehört auch die Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum).
Wo aber ist das Übersehene Knabenkraut? Der Name wird darauf zurückgeführt, dass die Art schon länger bekannt war, aber erst 1915 von dem britischen Botaniker George Claridge Druce (1850-1932) als eigenständige Spezies beschrieben wurde. Die besondere Orchidee zu übersehen, soll mir heute nicht passieren. Ich verlasse die Streuobstwiese und bleibe zunächst am unteren Hang des Wolferskopfes - in der Erwartung, dort ein feuchtes Quellgebiet zu finden. Unterwegs begegnen wir Odermennig und schöne Natternköpfe (Echium vulgare) - rosa und blaue Farbtupfer im Gelb der hochgewachsenen Trockenwiese.
Orchideenwiesen
Schließlich gelange ich an einen Wegweiser zu Orchideenwiesen in 300 Metern Entfernung. Das Gras steht hüfthoch, dominierende Art ist der Glatthafer (Arrhenatherum elatior).
Vom Weg führt ein Pfad auf die Wiese hinauf, vorbei an vielen Anacamptis pyramidalis und einigen Ophrys fuciflora. Dann sehe ich hinter einer Hecke schon von weitem violette Tupfer im Gras.
Da ist sie, die Dactylorhiza praetermissa. Die seltene Art hat ein relativ begrenztes Verbreitungsgebiet in Nordwesteuropa, bis zur Normandie, der Bretagne und Südengland. Es sind etwa 40 Pflanzen allein hier, die meisten in Hochblüte, einige schon etwas abblühend. Die langgestreckte Blütenähre ist mit zahlreichen hellvioletten Blüten besetzt. Die langen, meist schmalen Blätter sind ungefleckt.
Die Blütenlippe ist dreilappig, leicht herzförmig, mit einem vorgezogenen Mittellappen und abgerundeten Seitenlappen. Die oft etwas heller gefärbte Mitte ist mit einem feinen Punktmuster besetzt. Die Blüten haben lange Tragblätter, der walzenförmige Sporn ist abwärts gebogen.
Auf der Wiese gibt es auch Knabenkräuter mit kleineren, dunkler violetten Blüten, das ist das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), das meist schon am Abblühen ist.
Und auch Hybriden zwischen beiden Arten wachsen hier. Sie haben deutlich breitere Blätter als Dactylorhiza praetermissa. Die Blüten sind etwas dunkler, mit einem angedeuteten Schleifenmuster und leicht zurückgebogenen Seitenlappen - beides Merkmale von Dactylorhiza majalis.
Neben Anacamptis pyramidalis, Ophrys fuciflora und vereinzelten Ophrys apifera blüht auch die Mückenhändelwurz (Gymnadenia conopsea) auf. Einige Pflanzen leiden allerdings sichtlich unter der Trockenheit.
Auch am nordöstlichen Rand der Wolferskopf-Wiesen finden sich noch einmal Dactylorhiza praetermissa. Zu den Merkmalen der Art gehören die großen, seitlich ausgebreiteten Sepalen.
In einer fechten Senke am Rand des Wanderweges blüht auch das Fleischfarbene Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata) mit seiner feinen Schleifenzeichnung auf der nur schwach dreigeteilten Blütenlippe.
Und auch mit dieser Art bildet Dactylorhiza praetermissa Hybriden. Eine Pflanze blüht noch auf. Die Blüten sind etwas größer als bei Dactylorhiza incarnata, aber kleiner als die von Dactylorhiza praetermissa und tragen auf der Lippe ein feines Strichmuster.
Artenliste
- Anacamptis pyramidalis
- Dactylorhiza incarnata
- Dactylorhiza majalis
- Dactylorhiza praetermissa
- Gymnadenia conopsea
- Ophrys apifera
- Ophrys fuciflora
- Orchis purpurea
- Platanthera bifolia
- Platanthera chlorantha