Eifel/Hohes Venn

Erkundungen im Seidenbachtal

Wenn man nur einen Tag Zeit hat, muss man das Wetter nehmen, wie es kommt - auch wenn es wie am 19. Mai 2006 fast ohne Unterlass regnet. Aber ein freier Tag im Mai ist ein so kostbares Geschenk, dass ich mir die Freude daran nicht verderben lassen will. So breche ich früh am Morgen zu einem Tagesausflug in die Nordeifel auf, um schon gegen 9.00 Uhr in der Nähe von Blankenheim einzutreffen.

eifel

Ein paar Kilometer westlich der anmutigen Kleinstadt liegt das Naturschutzgebiet Seidenbachtal. Eine Info-Tafel gibt an, dass in der Umgebung mehr als 20 Orchideenarten heimisch sind. Auf dem Kalkboden des Hochplateaus (500 bis 550 Meter) wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts Getreide angebaut (vor allem Dinkel), danach wurde das Land nur noch als Schafweide genutzt und 1990 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Vom Parkplatz aus laufe ich in südwestlicher Richtung auf einen Mischwald zu. Am Rand wächst das Große Zweiblatt (Neottia ovata), der Blütenstand beginnt gerade erst, sich zwischen den eindrucksvoll großen Blättern nach oben zu schieben. Hinter dem Wäldchen erstreckt sich links und rechts vom Weg eine große Wiese, in der schon von weitem die violetten Blütenstände auffallen.

dactylorhiza majalis 1

Hier wächst das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) in voller Blüte. Zwischen den dunkelvioletten Blüten mit ihren schmalen Lippen, deren Seiten nach unten gebogen sind, fallen hellere Blütenstände auf, die jetzt erst langsam aufblühen.

dactylorhiza fuchsii

dactylorhiza maculata 3

Dies sind das Fuchs'sche (Dactylorhiza fuchsii) und das Gefleckte Knabenkraut (Dactylorhiza maculata). Bei der ersten Art ist der Sporn dicker, und der mittlere Teil der Lippe ist deutlich länger. Auch ist die Lippenzeichnung bei Dactylorhiza maculata etwas weniger ausgeprägt, das Violett der Blütenfarbe ist meist heller ausgeprägt als bei fuchsii. Dactylorhiza maculata hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in West- und Nordeuropa. Hier im Nordwesten ist offenbar ein Übergangsgebiet, in dem es sowohl maculata als auch fuchsii gibt.

 

 

 

 

 

Nicht zur Gattung Dactylorhiza, sondern zu Anacamptis gehört das Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio), das mit seinem lockeren Blütenstand und den feinen Nerven im Blütenhelm leicht zu erkennen ist.

anacamptis morio

White Beauty

dactylorhiza maculataIn der violetten Pracht fällt ein weiß blühendes Exemplar von Dactylorhiza maculata auf - ein zauberhaftes Wunder der Natur. Auch die Blätter sind bei dieser Pflanze fast einheitlich grün, die Flecken sind nur leicht angedeutet. 

Bevor ich mich vom Seidenbachtal verabschiede, schaue ich mir auf einem vorzeitlichen Grabhügel am Fuß des Froschbergs noch die 200 Jahre alte Süntelbuche (Fagus sylvatica var. suenteliensis) an, eine Mutation der Rotbuche , dessen Äste sich breit ausladen und bis zum Boden reichen - ein idealer Unterstand an diesem Regentag.

suentelbuche

Der Seidenbach fließt ebenso wie der weiter südlich gelegene Schaafbach in die Ahr. Auf einer Höhe über dem Schaafbach-Tal liegt Ripsdorf, von wo aus ich nach Westen auf den Griesheuel (563 m) laufe. Hier finden sich Magerrasen-Biotope mit verblühten Küchenschellen (Pulsatilla vulgaris), und an der Südecke des Wäldchens blüht wieder das Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio). Gleich daneben gibt es eine grünliche Orchidee, deren Blütenstand mit dichten Knospen besetzt ist - eine Waldhyazinthe (Platanthera spec.). Ihre Blütezeit setzt Mitte Mai ein - aber hier im Mittelgebirge braucht sie wohl noch etwas Zeit.

 

 

Wallfahrt zur Fliegen-Ragwurz

orchis anthropophora militaris

ophrys insectiferaEin Wanderweg führt mich zu einem Soldatenfriedhof am Rand von Alendorf. Nach Überquerung der Straße geht es rechts den Kalvarienberg hinauf - hier pilgern die Gläubigen in der Karwoche zu 14 Kreuzwegstationen aus dem 17. Jahrhundert. Zwischen Wacholder wächst die Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera). Die Blüte hat gerade erst begonnen, aber an einer Pflanze sind schon vier Knospen aufgegangen. Es sieht eindrucksvoll aus, wie die großen Lippen nach unten hängen. Auf den regennassen Blüten wirkt die bläulich-graue Binde in der Lippenmitte besonders glänzend.

Im Regen laufe ich weiter den Weg zum Berg hinauf und komme an einem ganz besonderen Knabenkraut vorbei: Nicht Orchis militaris (Helmknabenkraut) und nicht Orchis anthropophora (Ohnsporn), sondern eine Kreuzung zwischen beiden: Orchis anthropophora x militaris. Die Blüten sind gefärbt wie bei militaris. Petalen und Sepalen bilden den für beide Arten charakteristischen Helm. Die Lippe aber weist die stark verlängerten schmalen Seitenarme auf, wie sie für anthropophora typisch sind.

Im Lampertstal

Vom Kalvarienberg aus führt der Wanderweg ins unberührte Tal des ebenfalls in die Ahr fließenden Lampertsbachs. Nach ein paar Kilometern biege ich nach Norden ab und komme an einer feuchten Wiese vorbei. Hier blüht wieder das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), zusammen mit Vergissmeinnicht (Myosotis palustris) und der zu den Rosengewächsen gehörenden Bach-Nelkenwurz (Geum rivale) - wie diese Begleiter fühlt sich das Breitblättrige Knabenkraut im Unterschied zu den meisten anderen Orchideen auf kalkarmen und nährstoffreichen Böden wohl. Wieder in Ripsdorf angekommen, wärme ich mich in der Dorfschänke bei einem Kaffee auf. Die Wirtin kommt mit mir ins Gespräch und zeigt mir ein kleines Fotobuch über Orchideen der Region. Hier lohnt sich ein weiterer Besuch - vielleicht dann mit weniger Regen.

lampertstal

wieder auf der Wacholderheide

platanthera chlorantha

Tatsächlich komme ich vier Jahre später wieder, treffe mich dort am 12. Juni 2010 mit Jeroen aus den Niederlanden. Jetzt ist die Flora auf der
Wacholderheide schon weiter fortgeschritten. Die Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) blüht, zusammen mit der Fliegenragwurz. Und die Hybride Orchis anthropophora x militaris steht in all ihrer Pracht auf der Wiese. Auch blüht inzwischen schon die Mückenhändelwurz (Gymnadenia conopsea). 

gymnadenia conopsea

Besuch im Hohen Venn

dactylorhiza sphagnicola

Aber wir wollen heute noch weiter, und die Erkundung der Westeifel in Richtung der belgischen Ardennen verlängern. Nördlich von Malmedy führt mich Jeroen bei Monte Rigi in das Fagne de la Poleûr, ein nährstoffarmes, saures Moorgebiet, das wir auf einem Bohlenweg durchqueren können. Schon bald sehen wir dabei die kräftigen Pflanzen des Torfmoos-Knabenkrauts (Dactylorhiza sphagnicola). Die Art ist das Ergebnis einer Hybridbildung mit Dactylorhiza fuchsii als Mutter und Dactylorhiza incarnata als Vater. Die großen Blütenlippen haben einen deutlich abgesetzten Mittellappen, der aber kleiner als die Seitenlappen sind. Ihre Zeichnung ist meist nur mit Punkten angedeutet. Der walzenförmige Sporn ist leicht abwärts geboten. Wir studieren die unterschiedlichen Färbungen von rosaweiß über rötlich bis purpurn. Die teilweise sehr nassen Moortümpel sind von Palsen umgeben, kleinen Wällen, die im Permafrostboden der Eiszeit entstanden sind.

dactylorhiza sphagnicola2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Artenliste

  • Anacamptis morio  

  • Dactylorhiza fuchsii
  • Dactylorhiza maculata
  • Dactylorhiza majalis
  • Dactylorhiza sphagnicola

  • Gymnadenia conopsea

  • Neottia ovata

  • Ophrys insectifera

  • Orchis anthropophora x militaris

  • Platanthera chlorantha