Engadin

Eine besonders schöne Region der Schweizer Alpen ist das Ziel einer botanischen Reise im August 2014. Zusammen mit Klaus, den ich in Aarau treffe, geht es am 4.8. mit dem Zug über Zürich und Landquart nach Scuol. Dort fahren wir mit dem Postbus weiter nach Sur En, wo wir uns im Landgasthof Val d'Uina einquartieren.

Den Inn entlang

Nach der Ankunft haben wir noch einen ganzen Nachmittag Zeit für die Botanik und so folgen wir dem Lauf des Inn, der hier in einem hellen Türkisblau intensiv leuchtet.

inntal

epipactis atrorubens 2

Im Wald blüht noch die Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens) und wir studieren unterschiedliche Formen der Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis helleborine).epipactis helleborine

 

 

 

 

 

 

Auch das Kriechende Netzblatt (Goodyera repens) blüht im Moos, zusammen mit dem hübschen Wintergrün (Pyrola media), der Kleinen Braunelle (Brunella vulgaris) und dem allgegenwärtigem Wald-Wachtelweizen (Melampyrum sylvaticum).

goodyera repens 2

 

Auf einem schmalen Pfad durch den Wald begegnen uns das Große Zweiblatt (Neottia ovata) - die Fruchtknoten beginnen schon zu schwellen - und die Fruchtstände des Fuchs'schen Knabenkrauts (Dactylorhiza fuchsii) sowie der Weißen Waldhyazinthe (Platanthera bifolia).Große Blütenstände der Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) stehen im Gras. Und wir freuen uns an anderen Besonderheiten wie dem Bunten Hohlzahn (Galeopsis speciosa) oder dem Moosglöckchen (Linnaea borealis). 

linnea

herminium monorchis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf unserem Weg studieren wir unterschiedliche Glockenblumenarten: Campanula rotundifolia, trachelium und rapunculoides. Auch zwei Enzianarten blühen am Inn-Ufer, der Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata) und der Feld-Enzian (Gentiana campestris). Nach einer Brotzeit auf der Wiese sehe ich dann zum ersten Mal die Honigorchis (Herminium monorchis). Zwischen dem Blau von Ehrenpreis (Pseudolysimachion spicatum) und Glockenblume (Campanula rotundifolia) strecken sich die zierlichen Stängel mit den winzigen gelben Blüten nach oben. Ihr süßlicher Duft lockt Bestäuber an.

 

 

 

 

 

 

Waldfrau, Geister-Orchidee

Auf dem Rückweg folgen wir einem anderen Pfad, an dem Klaus einen Standort mit Widerbart (Epipogium aphyllum) in Erinnerung hat. Dieser seltenen Orchidee gilt das Hauptinteresse unserer Exkursion. Die ohne Blätter und Blattgrün auskommende Pflanze hat die Menschen seit jeher verwundert, was in volkstümlichen Namen wie "Skogsfru" (Waldfrau) in Schweden oder "Ghost Orchid" in England seinen Ausdruck findet. 

epipogium aphyllum

Die besondere Pflanze ist nicht nur auf die Symbiose mit ihrem Wurzelpilz angewiesen, sondern auch auf eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit und einen Feuchtigkeitsspeicher am Boden, wie Frank Meysel in einem Überblick zu dieser Art festhielt (Journal Europäischer Orchideen (45, 2-4, 2003, S. 329-374). Epipogium aphyllum sei als Urwaldrelikt zu betrachten, das "langjährig stabile und störungsfreie Habitatbedingungen" in Waldgesellschaften benötige. Dazu gehörten auch ein ausgeglichenes Mikroklima und "typische Strukturelemente wie mächtige Falllaubdecken und Totholz in allen Zersetzungsstadien".

Hinauf ins Val d'Uina

Am 5.8. beginnt der Tag mit einem verhangenen Himmel, in den Bergen stehen die Wolken, und nach einem heftigen Regenguss in der Nacht sind Arbeiter im Einsatz, um den Weg ins Tal des Inn-Nebenflusses Uina zu sichern. Wir folgen ihnen, begleitet von Göpf Grimm von der Arbeitsgruppe Einheimische Orchideen Aargau (AGEO), der sich uns spontan anschließt.

uina

goodyera repensAm Wegrand sehen wir Platanthera bifolia, schon länger verblüht. Epipactis atrorubens und Dactylorhiza fuchsii aber sind in 1500 m Höhe noch in Blüte. An den Hängen blühen Goodyera repens - mit zunehmender Höhe noch knospend - und Epipogium aphyllum. Völlig durchnässt sind die Blüten noch unwirklicher. epipogium aphyllum 2

 

 

Nach der bunten Galeopsis speciosa von gestern begleiten uns heute auch Galeopsis segetum (Gelber Hohlzahn) mit einem gelben Tupfer auf den weißen Blüten.

galeopsis

 

 

 

 

 

 

Neu in unserer Liste sind auch Campanula cochleariifolia (Niedliche Glockenblume), Ajuga genevensis (Genfer Günsel), Actaea spicata (Christophskraut), Saxifraga caesia (Blaugrüner Steinbrech) und Parnassia palustris (Sumpf-Herzblatt).

val d uina

Wir überqueren die Uina über eine Brücke, die im nächtlichen Gewitter zerstört wurde. Und wir sprechen mit dem Förster, der sich die Schäden anschaut. Ja, er passt auch auf die Orchideen auf, verspricht er. Auf halbem Weg blühen Gymnadenia conopsea und auch Gymnadenia odoratissima. Im Wald ist Cypripedium calceolus schon länger, Neottia ovata fast verblüht. Auch die Fruchtstände von Neottia nidus-avis sehen wir. Und dann finde ich passend zur unwirklichen Atmosphäre des Widerbarts auch das Kleine Zweiblatt (Neottia cordata), mit feenhaft anmutenden Blüten im Moos.

neottia cordata

Auf einer Wiese fliegen Falter emsig von einer Gymnadenia conopsea zur nächsten. Auch Herminium monorchis treffen wir hier wieder an. Und ich finde Albiflora-Formen von beiden Gymnadenia-Arten und ein hell blühendes Epipogium aphyllum - fast ohne Violett.

gymnadenia conopsea

Wir laufen noch eine Weile umher an diesem schönen Ort, wo sich das enge Tal auf einmal geweitet hat, freuen uns auch an Silberdisteln und Enzianen. Dann laufen wir wieder zurück, ins Inntal hinab. Am Abend schauen wir uns vor dem Nachtessen, wie es in der Schweiz heißt noch einen Hang am nördlichen Inn-Ufer an. Dort wachsen schöne Epipactis helleborine. Und wir treffen den Schlangen-Beauftragten der Region, der uns eine eindrucksvolle Kreuzotter zeigt.

kreuzotter

malaxis monophyllos

 

Am Ufer der kleinen Malaxis

Am 6.8. fahren wir mit dem Postbus nach Scuol und laufen über eine Holzbrücke aufs andere Inn-Ufer. Unter der Brücke, am steilen Uferhang finden wir nach einigem Suchen zwei kleine Orchideen, die sehr selten sind: die Einblättrige Weichwurz (Malaxis monophyllos). Die obere Pflanze blüht noch schön, die untere hat bereits Fruchtstände entwickelt.

Außerdem wachsen hier zwischen Wald-Wachtelweizen auch Dactylorhiza fuchsii (verblüht), Goodyera repensPlatanthera bifolia (verblüht) und zwei Pyrola-Arten. Dann laufen wir höher das Ufer hinauf. In dem wie verzauberten Mooswald blühen Goodyera repens und Epipactis atrorubens, auch Gymnadenia conopsea. Auch ohne Blüten deutlich zu sehen sind Cypripedium calceolus. Hier blühen Unmengen von Schattenblumen (Maianthemum bifolium).

Bei einem Glas Bier im Inntal verabschiede ich mich von Klaus, der heute schon zurück muss. Ich habe noch einen Tag im Engadin. Zurück laufe ich im Inntal nach Sur En. Dabei fallen mit unter anderem Aconitum lamarckii (Hahnenfußblättriger Gelb-Eisenhut), Paris quadrifolia (Vierblättrige Einbeere) und Campanula trachelium (Nesselblättrige Glockenblume) auf. 

 

 

scuol  

Tageswanderung im Val Mingèr


Am 7.8. fahre ich mit dem Postbus ins Val Mingèr, in den Schweizerischen Nationalpark. An der Haltestelle Pradatsch beginnt in 1650 m Höhe ein schöner Wanderweg, den Claudia und Beat Wartmann in ihrem Büchlein "Orchideenwanderungen im Schweizerischen Nationalpark" beschrieben haben.

sur il fos


Im unteren Teil wachsen Goodyera repens, viele noch in Knospen. An einer feuchten Wiese blüht eine größere Gruppe Gymnadenia conopsea. An einer feuchten Stelle sind Dactylorhiza incarnata subsp. cruenta gerade verblüht.

Zahlreiche Fettkraut-Pflanzen (Pinguicula vulgaris) warten auf kleine Fliegen. Etwas höher blüht zwischen Alpenrosen (Rhododendron hirsutum) eine weiße Gymnadenia rhododendronodoratissima. An der Baumgrenze in etwa 2000 m Höhe blühen Feldenzian (Gentiana campestris) und Schnee-Enzian (Gentiana nivalis). Ein Bartgeier schwebt eindrucksvoll ins Tal hinab. Auf den Wiesen in 2300 m Höhe sind noch abblühende Nigritella rhellicani zu sehen.

nigritella

Auf der Höhe von Sur il Foss verweile ich und freue mich an der Höhenluft, ehe ich wieder zurücklaufe. Auf dem Rückweg fallen mir noch abgeblühte Epipactis atrorubens und Platanthera bifolia auf, auch Kreuzblumen (Polygala vulgaris) blühen zahlreich. Und ich erweitere meine Glockenblumen-Betrachtungen mit Campanula barbata und Campanula scheuchzeri.

 

 

 

 

 

 

campanula scheuchzeri

 

Artenliste

  • Cypripedium calceolus
  • Dactylorhiza fuchsii 
  • Dactylorhiza incarnata subsp. cruenta
  • Dactylorhiza traunsteineri

  • Epipactis atrorubens
  • Epipactis helleborine

  • Epipogium aphyllum

  • Goodyera repens

  • Gymnadenia conopsea
  • Gymnadenia odoratissima
  • Herminium monorchis

  • Malaxis monophyllos

  • Neottia cordata 
  • Neottia nidus-avis
  • Neottia ovata

  • Nigritella rhellicani

  • Platanthera bifolia