Foto: Werner Hahn, 27.5.2004, bei Mayen/Eifel
Vogel-Nestwurz
Die kräftige Pflanze mit einer Höhe von 15 bis 40 Zentimetern hat keine Laubblätter - sie erhält ihre benötigten Nährstoffe von Mycorrhiza-Pilzen, die mit einem Waldbaum verbunden und an dessen Photosynthese angeschlossen sind. Der Blütenstand besteht aus 10 bis 60 Blüten mit einem leichten Honigduft. Sepalen und Petalen bilden einen lockeren Helm. Die breite und runde Lippe ist vorn zweigeteilt. Die Pflanze vermehrt sich autogam: In einem fortgeschrittenen Blütestadium fallen die Pollinien auf die Narbe ab.
Foto: Werner Hahn, 27.5.2004, bei Mayen/Eifel
Einordnung (Taxonomie)
Linné beschrieb die Pflanze in seinem Werk Species plantarum (1753) noch als Ophrys nidus-avis. Der jetzt gültige Name geht auf den französischen Botaniker Louis Claude Marie Richard zurück, der Neottia nidus-avis in De Orchideis europaeis annotationes (1817) beschrieb.
Weiß blühende Form
Sowohl die Blüten als auch die ganze Pflanze sind üblicherweise hellbraun. Es gibt aber auch Pflanzen mit gelblicher - und auch mit weißer Farbe. Diese Varietät ist als nidus-avis forma nivea bezeichnet worden. 1958 studierte der Heidelberg Botaniker Hans Reznik die Pigmente der regulären und der Nivea-Form von Neottia nidus-avis. Bei der weißen Pflanze "sind weder Chlorophylle noch Carotinoide vorhanden", während die braune Form eine von zwei Chlorophyll-Arten aufweist, die Reznik studiert hat (Vergleich einer weißen Mutante von Neottia nidus-avis mit der braunen Normalform. Eine physiologisch-anatomische Studie. In: Planta Bd. 51, 1958. S.696). Bei der hier gezeigten Pflanze fällt auf, dass die Blüten nicht voll entwickelt sind, was als eine Form des Atavismus zu deuten ist.
In einem Beitrag für das Journal Europäischer Orchideen (Vol. 50, 2-4, 2018, p. 221-226) gibt Leslie Lewis einen Überblick zu den hypochromen Formen von Neottia nidus-avis. Sie erklärt einführend, dass diese Orchideen an Farbpigmenten durchaus Chlorophyll und auch Carotinoide enthalten. Gleichwohl werden auch gelegentlich Farbvarianten gefunden, schreibt die Autorin.
Ob diese Farbvarianten immer auch taxonomische Relevanz haben sollten, mag dahingestellt bleiben. Allerdings gab es bei Neottia nidus-avis bereits im 19. Jahrhundert entsprechende Beschreibungen solcher Formen, mal als varietas (var.), mal als forma (f.) oder als lusus (lus.). Leslie Lewis stellt Beschreibungen von Philipp Wilhelm Wirtgen (1806-1870), Paul Wilhelm Magnus (1844-1914) und anderen dar.
Deutsche Botanische Monatsschrift, 1890
Deutsche Botanische Monatsschrift, 1891
Dem Schweizer Botaniker Gustav Hegi (1876-1932) folgend gibt sie einen einheitlichen Überblick auf der Ebene der Form:
- Neottia nidus-avis f. pallida: Pflanzen mit hellgelben Blüten
- Neottia nidus-avis f. nivea: Pflanzen mit schneeweißen Blüten
- Neottia nidus-avis f. sulphurea: Pflanzen mit schwefelgelben Blüten
Biotope, Blütezeit und Verbreitung
Neottia nidus-avis wächst in Wäldern - vor allem mit Buchen, Eichen, Tannen oder Kiefern. Die Blütezeit reicht je nach Höhe von Mai bis Juli. Die Pflanze ist in weiten Teilen Europas sowie in Asien verbreitet.